Rz. 174
Wird das minderjährige Kind mit Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern von einem Dritten betreut, sind beide Elternteile anteilig barunterhaltspflichtig.
Rz. 175
Eine Auffassung will den Bedarf des von Dritten betreuten minderjährigen Kindes in der Regel nach den konkret für die auswärtige Unterbringung (Heim, Internat) anfallenden Kosten unter Berücksichtigung des Wertes der Restbetreuung am Wochenende durch einen Elternteil bemessen. Das Kindergeld soll bei diesen Sachverhalten nach der geänderten Rechtsprechung des BGH und der Neufassung des § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe bedarfsdeckend anzusetzen sein.
Die andere Auffassung geht zwar auch von der anteiligen Barunterhaltspflicht beider Elternteile aus, bemisst den Bedarf des minderjährigen Kindes jedoch anhand seines gesamten Lebensbedarfs gemäß Regelbetrag der Düsseldorfer Tabelle zuzüglich des Betreuungsbedarfs, der wegen der Fremdbetreuung nicht mehr der pauschalen Regelung des § 1606 Abs. 3 Satz 2 unterliegt. Daher sollen Regelbetrag und Betreuungsbetrag zu bemessen sein. Der Regelbetrag ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle, wobei die Einkommen beider Elternteile zu addieren sind. Bei Barunterhaltsverpflichtung beider Elternteile leitet das minderjährige Kind seine Lebensstellung aus dem – addierten – Einkommen beider Elternteile her. Ausgeschlossen soll jedoch sein, dass ein Elternteil einen höheren Unterhalt(-steil) als sich aus seinem Einkommen gemäß der Düsseldorfer Tabelle ergibt zu bezahlen hat, wobei diese Beschränkung in Sonderfällen, wie bei Vorliegen einer Behinderung des minderjährigen Kindes, nicht gelten soll.
Rz. 176
Der neben dem Regelbetrag für die Bedarfsbemessung relevante Betreuungsbetrag ist nach Ansicht des BGH grundsätzlich pauschal, nämlich in Höhe des Barunterhalts, mithin des Regelbetrags, zu bemessen. Als Argument für seine Auffassung zieht der BGH im Wesentlichen die einfache Bemessung der Leistung sowie die Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt heran.
Rz. 177
Praxistipp
Der Meinungsstreit wurde an dieser Stelle ausführlich dargestellt, da dem Praktiker die Möglichkeit eröffnet werden soll, beide Ansichten mit den unterschiedlichen Ergebnissen – nach dem Grundsatz der "Meistbegünstigung" des eigenen Mandanten – zu vertreten. Außerdem kann die Methode der Bedarfsbemessung den dem anwaltlichen Vertreter vorliegenden Unterlagen angepasst werden. Es erscheint wahrscheinlicher, dass die konkreten Kosten der auswärtigen Unterbringung als die jeweiligen Einkommensverhältnisse beider Elternteile bekannt sind. Im Übrigen ist bei der Bedarfsbemessung nach der ersten Auffassung weder eine Auskunftserteilung durch den anderen Elternteil noch die Ermittlung des relevanten monatlichen Nettoeinkommens erforderlich.