Rz. 839
Nach § 1602 Abs. 1 ist nur derjenige Verwandte unterhaltsberechtigt, der außerstande ist, seinen Lebensbedarf aus eigenen Einkünften teilweise oder insgesamt zu decken, und der auch nicht verpflichtet ist, sich durch zumutbare Arbeit Einkünfte zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zu beschaffen. Zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs sind alle Einkünfte jeder Art (s. § 2 EStG) des Unterhalt begehrenden Verwandten steuerbereinigt zur Deckung seines Lebensbedarfs anzurechnen, sofern er bereits volljährig ist.
Rz. 840
Das Gesetz geht grundsätzlich von der Erwerbsobliegenheit eines jeden Verwandten aus und gewährt eine Unterstützung durch den Unterhaltsschuldner nur dort, wo für den Unterhaltsgläubiger keine Erwerbsobliegenheit (mehr) besteht. Im Rahmen der Minderung der Bedürftigkeit durch eigenes Einkommen ist demnach zwischen Einkommen aus zumutbarer und aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit zu differenzieren.
(1) Einkommen aus zumutbarer Erwerbstätigkeit
Rz. 841
Einkommen aus zumutbarer Erwerbstätigkeit mindert den (Unterhalts-) Bedarf des Unterhalt begehrenden Verwandten nach Kürzung um Erwerbsaufwand und Mehrbedarf in vollem Umfang. Gleiches gilt für solche Einkünfte, die unter Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit nicht erzielt worden sind.
Rz. 842
Praxistipp
Die bedarfsmindernde Wirkung der Einkünfte des Unterhaltsgläubigers tritt in dem Monat ein, in dem die Vergütung zufließt.
Rz. 843
Häufigster Fall der Erwerbseinkünfte eines volljährigen Kindes ist dessen Ausbildungsvergütung. Diese wird bereinigt in voller Höhe auf den Bedarf angerechnet, da die Eltern dem volljährigen Kind, anders als dem Minderjährigen – nur – Barunterhalt schulden.
Rz. 844
Die Ausbildungsvergütung des volljährigen Kindes ist um die ausbildungsbedingten Aufwendungen zu kürzen, wenn und soweit diese für die Ausbildung notwendig sind und tatsächlichen anfallen. Der ausbildungsbedingte Mehrbedarf steht dem volljährigen Kind nicht zur Bedarfsdeckung zur Verfügung und kann daher keine bedarfsdeckende Wirkung entfalten. Dieser wird pauschal mit 100 EUR bewertet.
Rz. 845
Praxistipp
Der "ausbildungsbedingte Mehrbedarf", also die mit der Berufsausbildung verbundenen Kosten, ist nicht mit den berufsbedingten Aufwendungen von Erwerbstätigen gleichzusetzen, allerdings sind beide Positionen, sofern berufsbedingte Aufwendungen tatsächlich anfallen, einkommensmindernd vorab in Abzug zu bringen. In der Praxis bedeutet dies, dass von der Ausbildungsvergütung ein Betrag in Höhe von 100 EUR und des weiteren Fahrtkosten in ihrer konkreten Höhe, wie sie dem Auszubildenden tatsächlich entstanden sind, einkommensmindernd abzuziehen sind.
Rz. 846
Die Ausbildungsvergütung des volljährigen Kindes ist also um die ausbildungsbedingten Aufwendungen zu reduzieren. Die diesbezüglichen Angaben sind in der Düsseldorfer Tabelle und den unterhaltsrechtlichen Leitlinien nicht einheitlich, sodass sich die Frage stellt, ob der Tabellenbetrag (DT 2023) in Höhe von derzeit 930 EUR für volljährige Kinder mit eigenem Haushalt, den Pauschalbetrag für die ausbildungsbedingten Aufwendungen in Höhe von 100 EUR bereits enthält und damit deren weitere Berücksichtigung ausscheidet. Im Hinblick auf die Düsseldorfer Tabelle, welcher der Bedarf pauschal entnommen wird, erscheint es nur konsequent in der Anwendung "die Ausbildungsvergütung eines in der Berufsausbildung stehenden Kindes in der Regel um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf von monatlich 100 EUR zu kürzen".
Rz. 847
Praxistipp
Der Abzug des – pauschalierten – ausbildungsbedingten Mehrbedarfs kann bei Einkünften des volljährigen Kindes außerhalb der Ausbildungsvergütung nicht erfolgen. Allerdings sind seine berufsbedingten Aufwendungen pauschal einkommensmindernd in Abzug zu bringen.
Rz. 848
Rechenbeispiel
Das volljährige sich in Ausbildung befindliche Kind erzielt monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von 500 EUR.
1. Die Bedarfsberechnung bei eigenem Haushalt:
Bedarf |
930 EUR |
Kindergeld in voller Höhe bedarfsdeckend |
250 EUR |
Einkünfte des volljährigen Kindes |
500 EUR |
Ausbildungsbedingter Mehraufwand, pauschal |
100 EUR |
Fahrtkosten, konkret |
50 EUR |
Bereinigtes Einkommen |
350 EUR |
Ungedeckter Restbedarf |
330 EUR |
Für den Unterhaltsbedarf des volljährigen sich in Ausbildung befindlichen Kindes mit eigenem Haushalt in Höhe von 330 EUR haften die Eltern im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen.
2. Die Bedarfsberechnung ohne eigenen Haushalt:
Bedarf, 4. Altersstufe der DT 2023 gem. dem zusammengerechneten Einkommen der barunterhaltspflichtigen Eltern, z. B 7. Einkommensgruppe (3.901 – 4.300)
|
855 EUR |
Kindergeld in voller Höhe bedarfsdeckend |
250 EUR |
Einkünfte des volljährigen Kindes |
500 EUR |
Ausbildungsbedingter Mehraufwand, pauschal |
100 EUR |
Fahrtkosten, konkret |
50 EUR |
Bereinigtes Einkommen |
350 EUR |
Ungedeckter Restbedarf |
255 EUR |
Für den Unterhaltsbedarf des volljährigen sich in Ausbildung befindlichen Kindes mit eigenem H...