Rz. 701
Der Begriff des Sonderbedarfs ist legaldefiniert in § 1613 Abs. 2 Nr. 1. Danach handelt es sich bei Sonderbedarf um nicht regelmäßig anfallenden, sog. außerordentlichen Bedarf.
Rz. 702
Sowohl Sonder- als auch Mehrbedarf stellt eine Art des Zusatzbedarfs neben dem allgemeinen Lebensbedarf (Elementarbedarf) des Unterhaltsberechtigten dar. Daher ist es erforderlich, die beiden Arten des Zusatzbedarfs voneinander abzugrenzen. Sonderbedarf nach der Legaldefinition des § 1613 Abs. 2 hingegen ist ein unregelmäßiger, außergewöhnlich hoher Bedarf, der nur dann gegeben ist, wenn der zusätzliche Bedarf überraschend, in der Höhe nicht abschätzbar und nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussehbar war und deshalb bei der Bedarfsplanung und bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente – auch als Mehrbedarf – nicht berücksichtigt werden konnte.
Rz. 703
Sonderbedarf als Zusatzbedarf kann als eigenständiger Bestandteil des Unterhaltsanspruchs nur ausnahmsweise neben dem laufenden Bar- und/oder Betreuungsunterhalt verlangt werden. Er muss sich als "außergewöhnlich" hoher Bedarf (§ 1613 Abs. 2) darstellen, sodass es im Zweifel bei der laufenden Unterhaltsrente verbleibt. Nur in Ausnahmefällen kann im Wege der Geltendmachung von Sonderbedarf ein Ausgleich zusätzlicher unvorhergesehener Ausgaben begehrt werden.
Rz. 704
Praxistipp
Der Sonderbedarf kann vom Unterhaltsberechtigten außerhalb des Abänderungsverfahrens, wie dies für den laufenden Unterhalt und den Mehrbedarf erforderlich ist, geltend gemacht werden. Darüber hinaus kann er im Nachgang innerhalb eines Jahres ohne Inverzugsetzung verlangt werden.
Rz. 705
Der Unterhaltsschuldner ist bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit unter Umständen verpflichtet, den Anspruch auf Ausgleich des Sonderbedarfs ratenweise wegzufertigen.
Rz. 706
Die Eltern haften für den Sonderbedarf des Kindes anteilig nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 im Verhältnis ihrer (auch fiktiv anzurechnenden) Einkünfte.
Rz. 707
Praxistipp
Zu der Problematik des Sonderbedarfs, insbesondere im Hinblick auf dessen Abgrenzung vom Mehrbedarf, sind in der Vergangenheit durch die Instanzgerichte zahlreiche Entscheidungen ergangen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des BGH vom 15.2.2006 hervorzuheben. Dort wird darauf hingewiesen, dass Sonderbedarf nur in Ausnahmefällen zugesprochen werden könne. Außerdem sind wohl Entscheidungen, die die Rechtslage bis 31.12.2007 zugrunde legen, aufgrund der Änderungen der §§ 1612, 1612a und 1612b durch das UÄndG 2007 mittlerweile unbeachtlich.
Rz. 708
Daher kann in der praktischen Anwendung nur empfohlen werden, sich bei der Geltendmachung von Sonderbedarf eng an der Legaldefinition des § 1613 Abs. 2 argumentativ zu orientieren, wonach Sonderbedarf ein unregelmäßiger, außergewöhnlich hoher Bedarf ist. Dieser ist nur dann gegeben, wenn der zusätzliche Bedarf überraschend, in der Höhe nicht abschätzbar und nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussehbar war und deshalb bei der Bedarfsplanung und bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente – auch als Mehrbedarf – nicht berücksichtigt werden konnte.
Rz. 709
Für den Verwandtenunterhalt ist der Kostenvorschuss, anders als im Rahmen des Familien- und Trennungsunterhalts bei Ehegatten (§§ 1360a Abs. 4, 1361 Abs. 4 Satz 3), gesetzlich nicht geregelt. Dem volljährigen Kind steht als Sonderbedarf ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen seine Eltern nur dann zu, wenn es sich in Ausbildung befindet und noch keine eigene Lebensstellung innehat, also zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht – noch – von seinen Eltern abhängig ist. Des Weiteren muss der angemessene Selbstbehalt der Eltern gewahrt sein.
Rz. 710
Beispiel
Der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss besteht bis zum Regelabschluss des Master-Studiums. Ein verheirateter volljähriger Student hat bereits eine eigene Lebensstellung erreicht, sodass der Anspruch ausscheidet.
Rz. 711
Allerdings ist der Anspruch auf Kostenvorschuss einer Billigkeitsprüfung zu unterziehen. Er ist nur unter nachfolgenden Voraussetzungen gegeben:
Rz. 712
Prüfungsschema Kostenvorschuss
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Das minderjährige Kind kann die Verfahrenskosten nicht selbst – aus seinem Vermögen – aufbringen. |
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Rechtstreit in einer persönlichen Angelegenheit. |
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Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung. |
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Höhe. |
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Der Pflichtige ist hinreichend leistungsfähig. |
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Der notwendige Selbstbehalt bleibt gewahrt. |
Rz. 713
Praxistipp
Gegebenenfalls ist der Kostenvorschuss in Raten zu bezahlen. In diesem Fall ist dem unterhaltsberechtigten Kind Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, Ratenzahlung anzuordnen und dem Unterhaltspflichtigen die Zahlung des Kostenvorschusses in Höhe der angeordneten Raten aufzugeben.