Rz. 310
Sowohl ein bewusster Konsumverzicht als auch die Aufnahme einer neuen Partnerschaft haben unter Umständen Auswirkungen auf den Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners.
aa) Der Konsumverzicht
Rz. 311
Im Rahmen seines Selbstbehalts kann der Unterhaltsschuldner über seine, ihm verbleibenden Mittel frei verfügen. Er kann sein Ausgabeverhalten auf andere Prioritäten abstimmen, indem er z.B. sehr günstig wohnt, um so freiwerdende Mittel für andere Interessen einsetzen zu können. Ein solches Verhalten des Unterhaltsschuldners bezeichnet man als "Konsumverzicht". Es führt nicht zur Herabsetzung des Selbstbehalts beim Unterhaltsschuldner. Diese Autonomie in seiner Lebensgestaltung ist dem Unterhaltsschuldner auch gegenüber dem minderjährigen oder privilegiert volljährigen Kind zuzugestehen.
Rz. 312
Praxistipp
Eine Herabsetzung des Selbstbehalts kann aber beim Konsumverzicht ausnahmsweise dann angezeigt sein, wenn der Unterhaltsschuldner für das minderjährige oder privilegiert volljährige Kind den Mindestunterhalt nicht zu leisten vermag.
bb) Die Synergie-Effekte einer neuen Partnerschaft
Rz. 313
Wenn der Unterhaltsschuldner mit einem Partner zusammenlebt, treten Synergie-Effekte ein mit dem Ergebnis, dass die Kosten für einen gemeinsam geführten Haushalt im Vergleich zu einem allein geführten geringer sind. Man spricht von ersparten Aufwendungen des Unterhaltsschuldners. Diese Ersparnis ergibt sich aus dem Zusammenleben mit dem Ehegatten oder einem neuen Lebenspartner.
Rz. 314
Das Zusammenleben mit dem Ehegatten oder dem Lebenspartner stellt keine, unterhaltsrechtlich in der Regel, unbeachtliche freiwillige Leistung eines Dritten dar, sondern führt aufgrund der sich einstellenden Synergie-Effekte zu einer sehr wohl zu berücksichtigenden Kostenersparnis. Gleiches gilt für den Fall des Zusammenlebens in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft.
Diese sich aus dem Zusammenleben ergebende Ersparnis wirkt sich sowohl auf die Wohn- als auch allgemeinen Lebenshaltungskosten aus. Der Gesetzgeber ging in seiner Begründung zur Unterhaltsreform davon aus, dass der Eintritt dieser Ersparnis allgemein bekannt sei. Das BVerfG bewertet sie als einen einkommensrechtlich zu berücksichtigenden Umstand.
Rz. 315
Aufgrund der Kostenersparnis ist der Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen ein geringerer. Dieser Umstand wird durch Kürzung seines Eigenbedarfs wiedergegeben, so dass sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners erhöht. Nach Auffassung des BGH beträgt die sich aufgrund der Synergie-Effekte einstellende Ersparnis analog § 20 Abs. 3 SGB II für jeden der zusammenlebenden Partner je 10 %, d.h. für beide 20 % des Selbstbehalts. Es ist davon auszugehen, dass dieser Wert sich bei besseren Einkommensverhältnissen, insbesondere bei damit einhergehenden hohen Wohnkosten, weiter erhöht, da sich die Ersparnis nach § 20 Abs. 3 SGB II auf die reinen Lebenshaltungskosten – ohne Wohnkosten – erstreckt.
Die Kürzung des Selbsthalts des Unterhaltsschuldners um jedenfalls 10 % erfolgt unabhängig davon, ob der neue Partner, mit dem er zusammenlebt, leistungsfähig ist. Ihm muss bei Zusammenleben mit einem neuen Partner in wirtschaftlich beengten Verhältnissen lediglich das sozialhilferechtliche Existenzminimum verbleiben.
Rz. 316
Praxistipp
Grundsätzlich ist bei Zusammenleben des Unterhaltspflichtigen mit einem neuen Partner dessen Selbstbehalt um 10 % zu kürzen. Sollte dieser Kürzungsbetrag in Streit geraten, weil er vom Unterhaltsschuldner bestritten wird oder aber sich Anzeichen für den Unterhaltsgläubiger ergeben, dass eine weitergehende Kürzung angezeigt ist, muss zu den einzelnen Kosten, insbesondere den Wohnkosten, konkret vorgetragen werden.