Rz. 601
Eltern haften für den Unterhalt ihrer Kinder, der deren gesamten Lebensbedarf umfasst (§ 1610 Abs. 2), bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1). Sie können sich allerdings im Verhältnis zueinander über die von ihnen zu leistenden Unterhaltsbeträge verständigen. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung darf ein Elternteil den anderen auch von dessen Verpflichtung, an das Kind anteilig oder insgesamt Unterhalt zu leisten, teilweise oder insgesamt freistellen (Freistellungsvereinbarung).
aa) Das Innenverhältnis: Elternteil/Elternteil
Rz. 602
Soweit die Eltern untereinander auf Kindesunterhalt verzichten, kommt auch nur zwischen ihnen ein Vertrag zustande, es sei denn, dass ein Elternteil ausdrücklich und unmissverständlich im Namen des Kindes handelt. Eine Freistellungsvereinbarung der Eltern stellt eine Erfüllungsübernahme (vgl. §§ 329, 415 Abs. 3) dar und entfaltet Rechtswirkung nur zwischen den Eltern, nicht aber für und gegen das Kind. Daher ist das Kind an eine solche (vertragliche) Verpflichtung eines Elternteils gegenüber dem anderen nicht gebunden.
Rz. 603
Für rückständigen Unterhalt hingegen kann die Freistellung durch den sorgeberechtigten Elternteil sehr wohl dazu führen, dass dem Kind, dessen Unterhaltsbedarf in der Vergangenheit gedeckt war, nach Ende einer Freistellungsvereinbarung für die Vergangenheit kein Anspruch auf Unterhalt zusteht, da durch die Freistellungsvereinbarung auf die Geltendmachung laufenden Unterhalts verzichtet oder ein Bestimmungsrecht i.S.d. § 267 ausgeübt worden ist, das zum Erlöschen des Unterhaltsanspruchs führte (§ 362).
bb) Das Außenverhältnis: unterhaltspflichtiger Elternteil/Kind
Rz. 604
Der von Unterhalt insgesamt oder teilweise freigestellte Elternteil bleibt im Außenverhältnis, also gegenüber dem Kind, weiterhin unterhaltspflichtig. Erst durch die Unterhaltszahlung des zahlungspflichtigen Elternteils erlischt die Unterhaltsverpflichtung des anderen Elternteils gegenüber dem Kind (§§ 267, 1612 Abs. 2 Satz 1). Im Innenverhältnis besteht ein vertraglicher Anspruch darauf, dass die zahlungspflichtige Vertragspartei den Unterhaltsanspruch des Kindes befriedigt.
Rz. 605
Ein gerichtlicher Antrag des zur Freistellung verpflichteten Ehegatten in gesetzlicher Prozessstandschaft für die Kinder gegen den anderen Ehegatten auf Zahlung des Kinderunterhalts ist daher nicht ausgeschlossen.
Rz. 606
Praxistipp
Wurde der Kindesunterhalt aufgrund einer Freistellungsvereinbarung der Eltern von dem betreuenden Elternteil gezahlt, und wird diese Vereinbarung später aufgehoben, steht dem Kind mangels Erfüllung (§ 362) kein Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil zu. Da der Unterhalt auch mit Rechtsgrund gezahlt wurde, entfällt auch ein Bereicherungsanspruch des betreuenden Elternteils gegen das Kind.
cc) Wirksamkeitskontrolle
Rz. 607
Freistellungsvereinbarungen sind grundsätzlich weder gem. § 134 nichtig noch nach § 138 sittenwidrig, auch wenn sie äußerlich mit einem Vorschlag zur Regelung der elterlichen Sorge verbunden werden, wohl aber dann, wenn dadurch die Zustimmung des anderen Elternteils zur Übertragung der elterlichen Sorge und/oder ein Verzicht auf das Umgangsrecht bzw. ein Verzicht auf dessen Ausübung erreicht werden soll. Eine Freistellung ist zudem nur dann wirksam, wenn der Freistellende über die finanziellen Mittel verfügt, den Kindesunterhalt in der von dem freigestellten Elternteil geschuldeten Höhe zu bezahlen.
Rz. 608
Freistellungsvereinbarungen der Eltern untereinander verstoßen grundsätzlich nicht gegen § 1614 Abs. 1 (i.V.m. § 134), da sie den laufenden Unterhaltsanspruch als solchen nicht berühren. Sie entfalten Rechtswirkungen nur zwischen den Eltern und wirken nicht im Außenverhältnis zwischen dem Kind und dem freigestellten Elternteil mit der Folge, dass das Kind seine gesetzlichen Unterhaltsansprüche gegenüber jedem Elternteil ungeachtet der Vereinbarung der Parteien behält und (auch) der freigestellte Elternteil aus §§ 1601 ff. zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werden kann. Der trotz Vereinbarung auf Unterhalt in Anspruch genommene Elternteil hat aus der Vereinbarung lediglich einen Anspruch auf Erstattung und im Übrigen auf die – vereinbarte – Freistellung.
Rz. 609
Allerdings sind im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG vom 6.2.2001 solche Verträge kritisch am Kindeswohl zu prüfen, wenn sie das Einkommen des betreuenden Elternteils und damit auch den für das Kind verfügbaren Betrag unangemessen schmälern. Vereinbaren die Kindeseltern, dass der Kindesunterhalt vom barunterhaltspflichtigen Vater nicht in voller Höhe zu zahlen se...