Rz. 903
Für den Restbedarf, mithin den Barunterhalt, haften die Eltern anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen.
aa) Der Restbedarf des volljährigen Kindes
Rz. 904
Die Eltern haften nur für den Restbedarf ihres volljährigen Kindes. Das bedeutet, dass vom Lebensbedarf des Kindes seine – anrechenbaren – Einkünfte sowie das Kindergeld in voller Höhe gemäß § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (bedarfsmindernd) in Abzug zu bringen sind.
Rz. 905
Schema zur Ermittlung des Restbedarfs des volljährigen Kindes
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Feststellung und Bezifferung des gesamten Lebensbedarfs des volljährigen Kindes anhand der Tabellen und Leitlinien, |
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Ermittlung des anrechnungsfähigen Einkommens des volljährigen Kindes durch Abzug des Erwerbsaufwands u.a., |
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bedarfsmindernde Anrechnung eigenen Einkommens des volljährigen Kindes und |
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bedarfsmindernde Anrechnung des Kindergelds in voller Höhe, |
ergibt den Restbedarf des volljährigen Kindes.
bb) Leistungsfähigkeit der Eltern
Rz. 906
Für diesen Restbedarf haften die Eltern anteilig gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 nach ihrer Leistungsfähigkeit, also nach den ihnen nach den allgemeinen Grundsätzen der Einkommensermittlung zu Unterhaltszwecken tatsächlich vorhandenen Mittel. Der Umfang der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Elternteils ist anhand seines Einkommens und der unterhaltsrechtlich gebotenen Abzüge zu ermitteln.
Rz. 907
Im Wesentlichen verringert sich das jeweilige Einkommen um
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die gesetzlichen Abzüge, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Altersvorsorge (primär und sekundär), |
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Verbindlichkeiten, sofern diese unterhaltsrechtliche zu berücksichtigen sind, |
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Kosten für krankheitsbedingten Mehrbedarf, |
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Kosten für die Betreuung minderjähriger Kinder oder Betreuungsbonus, sofern die Betreuung tatsächlich – noch – erforderlich ist, |
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Unterhaltszahlung an nach § 1609 vorrangig berechtigte Unterhaltsschuldner. |
Rz. 908
Allerdings geht der BGH davon aus, dass bei durchschnittlichen Einkünften keine schematische Quotierung proportional zur Höhe der beiderseitigen Einkommen vorzunehmen, sondern eine wertende Betrachtung geboten ist, um eine unterschiedliche Belastung der Bezieher unterschiedlich hoher Einkünfte zu vermeiden. In welcher Weise dies geschieht, unterliegt weitgehend der Beurteilung des Tatrichters. Eine billigenswerte Methode, um dem Rechnung zu tragen, bestehe – so der BGH – darin, die Haftungsquoten erst nach dem Abzug der für den eigenen Unterhalt erforderlichen Beträge (Selbstbehalt) nach dem Verhältnis der verbleibenden Mittel zu bestimmen, wie es einer verbreiteten Praxis entspricht.
Daher ist der jeweilige Elternteil nur leistungsfähig, soweit sein Resteinkommen seinen angemessenen Selbstbehalt in Höhe von derzeit 1.650 EUR übersteigt.
Rz. 909
Praxistipp
Auch hinsichtlich des Selbstbehalts gelten die allgemeinen Grundsätze. So ist dieser z.B. wegen Synergie-Effektes einer neuen Partnerschaft zu reduzieren.
cc) Die Ermittlung der Haftungsquote
Rz. 910
Die Ermittlung der Haftungsquote kann als Formel wie folgt dargestellt werden:
Restbedarf x Einkommen des Elternteils |
Summe der Einkommen beider Elternteile |
In Worten:
Der Restbedarf des volljährigen Kindes wird mit dem Einkommen des jeweiligen Elternteils multipliziert. Das Produkt wird durch die Summe der Einkünfte beider Elternteile dividiert.
In Zahlen:
Restbedarf des volljährigen Kindes: 554 EUR
Einkommen Vater: 2.000 EUR – Selbstbehalt 1.650 EUR = 350 EUR
Einkommen Mutter: 1.800 EUR – Selbstbehalt 1.650 EUR = 150 EUR
Quote des Vaters: |
554 x 350 |
= 388 EUR |
500 |
Quote der Mutter: |
554 x 150 |
= 166 EUR |
500 |
Kontrolle:
Anteil Vater 388 EUR + Anteil Mutter 166 EUR = 554 EUR = Restbedarf des volljährigen Kindes
Rz. 911
Gegebenenfalls ist das gefundene Ergebnis auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen. Das gilt insbesondere, wenn die Einkommen der Elternteile sehr weit auseinanderfallen. In die wertende Veränderung des Verteilungsschlüssels können und müssen sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls einfließen.
dd) Die Ermittlung der Haftungsquoten in der praktischen Anwendung
Rz. 912
Die jeweiligen Haftungsanteile der Eltern gegenüber einem volljährigen, nicht privilegierten Kind sind in einer mehrstufigen Berechnung zu ermitteln.
1. Berechnungsstufe: Von dem unterhaltsrelevant bereinigten Nettoeinkommen beider Elternteile ist zunächst der für vorrangige Unterhaltsgläubiger zu zahlende Barunterhalt (Zahlbetrag) abzuziehen,
2. Berechnungsstufe: Vor der Berechnung der Haftungsanteile ist von dem unterhaltsrelevant bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern jeweils der angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern abzuziehen,
3. Berechnungsstufe: Das verbleibende Resteinkommen der/des Unterhaltsschuldner/s ist sodann zum Unterhaltsbedarf des Unterhaltsgläubigers ...