Rz. 443
Dem minderjährigen Kind steht ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil zu. Ohne Bedeutung ist, ob die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben oder ob diese auf einen Elternteil allein übertragen worden ist. Spiegelbildlich steht diesem Recht die Pflicht, aber natürlich auch das Recht, des nicht betreuenden Elternteils zum bzw. auf Umgang gegenüber (§ 1684 Abs. 1).
Rz. 444
Grundsätzlich waren die Kosten der Umgangsausübung Sache des den Umgang ausübenden Elternteils. Eine Berücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Barunterhaltsberechnung fand nicht statt. Im Jahre 2003 forderte das BVerfG, dass auch das Unterhaltsrecht dem Unterhaltspflichtigen nicht die Möglichkeit nehmen dürfe, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung unter Berücksichtigung des Kindeswohls auszuüben. Die für die Umgangsausübung beim nicht betreuenden und damit barunterhaltspflichtigen Elternteil anfallenden Kosten, sind solche, die er im eigenen Interesse und im Interesse des Kindes grundsätzlich selbst aufzubringen hat. Staatliche Vergünstigungen wie das Kindergeld sorgen diesbezüglich für die Entlastung des unterhaltspflichtigen Umgangsberechtigten.
Rz. 445
Praxistipp
Es ist möglich, dass die Eltern über Verteilung der Umgangskosten eine Vereinbarung treffen. Ansonsten kann der Umgangsberechtigte weder vom anderen Elternteil noch vom Kind Erstattung oder auch Beteiligung an den Umgangskosten verlangen.
Rz. 446
Nunmehr will der BGH angemessene Umgangskosten des barunterhaltspflichtigen Elternteils mit seinem Kind bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigen, wenn diese – konkret vorgetragen – nicht anderweitig abgedeckt sind, insbesondere, wenn die Kosten nicht aus dem, dem Unterhaltsschuldner verbleibenden Kindergeldanteil, gedeckt werden. Gleiches soll gelten, wenn sich die Berücksichtigung der Umgangskosten aus Billigkeitserwägungen ergibt.
aa) Neufassung des § 1612b Abs. 1
Rz. 447
Seit 1.1.2008 deckt das hälftige Kindergeld den Bedarf des minderjährigen Kindes und ist auf den Mindestunterhalt anzurechnen, daher bestimmt sich die Leistungsfähigkeit aus den Zahlbeträgen und nicht – mehr – aus den Bedarfsbeträgen nach der Düsseldorfer Tabelle. Sind die Umgangskosten dermaßen hoch, dass sie den auf den Unterhaltsschuldner entfallenden Kindergeldanteil (§ 1612b Abs. 1 Nr. 1: "zur Hälfte") übersteigen, sind die Umgangskosten bei der Einkommensermittlung zu berücksichtigen.
bb) Billigkeitserwägungen
Rz. 448
Fallen erhebliche Umgangskosten, z.B. als Fahrtkosten für erhebliche Entfernungen zwischen den jeweiligen Wohnorten, an und sind diese aufgrund der ohnehin beengten wirtschaftlichen Verhältnisse für den umgangsberechtigten und barunterhaltsverpflichteten Elternteil unzumutbar, sodass eine fehlende Erstattung der Kosten dazu führen würde, dass das Umgangsrecht nicht oder nur erheblich eingeschränkt ausgeübt wird, müssen diese Kosten bei der Einkommensermittlung Berücksichtigung finden.
Rz. 449
Das Gleiche gilt, wenn der Unterhaltspflichtige ein weit über das übliche Maß hinausgehende Umgangsrecht wahrnimmt. Der Tatrichter kann die in diesem Zusammenhang getätigten außergewöhnlich hohen Aufwendungen, die als reiner Mehraufwand für die Ausübung des erweiterten Umgangsrechts dem Unterhaltsanspruch des Kindes nicht entgegengehalten werden können, zum Anlass nehmen, den Barunterhaltsbedarf des Kindes unter Herabsetzung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen.
Rz. 450
Praxistipp
Der umgangsberechtigte Elternteil muss allerdings alle Möglichkeiten nutzen, um die Umgangskosten so gering als möglich zu halten.
cc) Berücksichtigung der Umgangskosten im Rahmen der Leistungsfähigkeit
Rz. 451
Sowohl für den Fall, dass die Umgangskosten den Kindergeldanteil übersteigen als auch für den Fall, dass bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen und erheblichen Umgangskosten aus Billigkeitsgründen im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sind, erfolgt dies entweder durch maßvolle Erhöhung des Selbstbehalts oder Minderung des unterhaltsrelevanten Einkommens des Unterhaltsschuldners.
Rz. 452
Die Umgangskosten werden dann nicht im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners berücksichtigt, wenn er, nachdem die Umgangskosten vom Einkommen abgezogen worden sind, über ausreichendes Einkommen verfügt. Dies gilt erst recht bei nicht nur ausreichenden, sondern besseren Einkommensverhältnissen.
Rz. 453
Praxistipp
Die Übernahme der Kosten für den Unterhalt des Kindes während der Ausübung des Umgangsrechts, z.B. Essen, Wohnen, Kleidung usw., durch den umgangsberech...