Rz. 864
Erhält der Unterhaltsgläubiger Leistungen Dritter, dann ist zunächst zu differenzieren, ob es sich um freiwillige Leistungen Dritter handelt, oder ob er auf diese Leistungen einen Rechtsanspruch hat.
(1) Freiwillige Leistungen Dritter
Rz. 865
Freiwillige Leistungen Dritter werden unterhaltsrechtlich grundsätzlich nicht bedarfsmindernd angerechnet, sofern nicht folgende Ausnahmesituationen vorliegen:
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Der Dritte will den Unterhaltsschuldner entlasten, auch wenn er einer eigenen, eventuell auch nur subjektiv empfundenen Verpflichtung nachkommen will. Im Rahmen einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft mindern daher Zuwendungen des Lebenspartners die Bedürftigkeit auch dann, wenn das (volljährige) Kind diesem keine entsprechenden hauswirtschaftlichen Versorgungsleistungen erbringt; |
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Es liegen auf Seiten der/s Unterhaltsschuldner/s äußerst beengte wirtschaftliche Verhältnisse vor, wie es im Bereich von Mangellagen stets der Fall ist; |
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Stipendien in Form laufender Leistungen mindern den Unterhaltsbedarf eines Studenten. |
Rz. 866
Eine Anrechnung öffentlicher Ausbildungshilfen ist dann nicht gerechtfertigt, wenn sie zum einen für Maßnahmen geleistet werden, deren Kosten die Eltern aufgrund ihrer bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsverpflichtung gemäß § 1610 Abs. 1 und 2 nicht zu tragen hätten. Zum anderen soll eine Anrechnung dann unterbleiben, wenn die Ausbildungshilfe eine besondere Leistung des Auszubildenden belohnen soll oder wenn die Anrechnung mit dem besonderen Förderungszweck unvereinbar wäre. Kosten für Fahrten zur und von der Ausbildungsstätte, Miete, Verpflegung und Reinigungskosten fallen unter die vom Ausbildungsfreibetrag in typischer Weise erfassten Aufwendungen.
(2) Nicht subsidiäre Sozialleistungen
Rz. 867
Nicht subsidiäre Sozialleistungen mindern die Bedürftigkeit oder schließen sie aus. Subsidiäre Sozialleistungen (siehe etwa § 2 SGB XII: Nachrang der Sozialhilfe) decken zwar den Unterhaltsbedarf, berühren aber den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch nicht. Dieser geht vielmehr (in der Regel) auf den Leistungsträger über (siehe § 94 SGB XII, § 7 UVG, § 37 BAföG für Leistungen im Form sog. Vorausdarlehen). Im Einzelnen:
(a) BAföG-Leistungen
Rz. 868
BAföG-Leistungen mindern die Bedürftigkeit eines volljährigen Studenten auch insoweit, als sie darlehensweise gewährt werden, wenn dem Studenten die Aufnahme eines solchen Kredits bei angemessener Berücksichtigung der Interessen des Studenten und seiner Eltern im Hinblick auf die außerordentlich günstigen Darlehensbedingungen zumutbar ist, nicht aber, wenn sie nur als sog. Vorausdarlehen (§§ 36, 37 BAföG) erbracht worden sind. Grundsätzlich besteht für das studierende Kind die unterhaltsrechtliche Obliegenheit für die zumutbare Inanspruchnahme eines BAföG-Darlehens, ansonsten sind ihm fiktive Einkünfte in Höhe des möglichen Darlehensanspruchs anzurechnen, welche die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit des Kindes mindern.
Einem volljährigen, nicht BAföG-berechtigten Studenten, der von seinen leistungsfähigen Eltern Unterhalt erhält, obliegt diesen gegenüber in der Regel nicht die Verpflichtung, ein sogenanntes Bildungsdarlehen aufzunehmen. Die Rechtsprechung hinsichtlich der Verpflichtung zur Aufnahme eines BAföG-Darlehens lässt sich auf ein sogenanntes Bildungsdarlehen nicht übertragen.
(b) Berufsausbildungsbeihilfen
Rz. 869
Berufsausbildungsbeihilfen: Nach § 97 Abs. 1 SGB III können Leistungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um die Erwerbstätigkeit der Behinderten entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre berufliche Eingliederung zu sichern. Das in diesem Rahmen gezahlte Ausbildungsgeld ist keine – gegenüber Unterhaltsansprüchen – subsidiäre Leistung, sondern mindert die Bedürftigkeit. Die Berufsausbildungsbeihilfe gem. §§ 59 ff. SGB III hat hingegen Lohnersatzfunktion und stellt nur dann eine subsidiäre Geldleistung dar, wenn sie als Vorauszahlung geleistet wird.
(c) Grundsicherung
Rz. 870
Es entspricht in Anbetracht der Unterhaltsleistungen, die Eltern einem erwerbsunfähigen Kind gegenüber bis zu dessen Volljährigkeit erbringen, der allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme und Loyalität (Gegenseitigkeitsprinzip), wenn ein volljähriges Kind darauf verwiesen wird, vorrangig die Grundsicherung in Anspruch zu nehmen. Es muss sich daher die – etwa nach §§ 41 ff. SGB XII – möglichen Leistungen auch dann fiktiv auf seinen Bedarf anrechnen lassen, wenn diese Leistungen noch nicht beantragt sind.