Rz. 509

Die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit der Großeltern ist nach den allgemeinen Grundsätzen mit den nachfolgenden Besonderheiten zu prüfen.

(1) Selbstbehalt

 

Rz. 510

Im Rahmen der nach den allgemeinen Grundsätzen zu bestimmenden Leistungsfähigkeit ist zu klären, in welcher Höhe den Großeltern gegenüber dem (Enkel-)Kind der Selbstbehalt zusteht. Im Unterhaltsrechtsverhältnis mit dem (Enkel-)Kind sind die Großeltern andere unterhaltspflichtige Verwandte i.S.d. § 1603 Abs. 2 Satz 3,[680] trotzdem trifft sie im Verhältnis zum (Enkel-)Kind keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Damit hat den Großeltern jeweils der angemessene Selbstbehalt zu verbleiben.

Grundsätzlich gewährt § 1603 Abs. 1 vorranging jedem Unterhaltsschuldner die Sicherung seines eigenen angemessenen Unterhalts, damit ihm die Mittel verbleiben, die er zur angemessenen Deckung des, seiner Lebensstellung entsprechenden, allgemeinen Bedarfs benötigt. Die Großeltern müssen sich nicht auf eine Inanspruchnahme nach § 1607 im Rahmen ihrer Lebensplanung einstellen. Dies gilt umso mehr, als sie sich im Zeitpunkt der Inanspruchnahme regelmäßig in einer Lebenssituation befinden, die es nicht – mehr – ermöglicht, die finanziellen Ausfälle durch die Unterhaltszahlungen zu kompensieren oder für den Eintritt dieser Situation Vorsorge zu treffen.[681]

 

Rz. 511

Vor dem Hintergrund dieser Erwägung sind den Großeltern im Unterhaltsrechtsverhältnis zum minderjährigen und privilegiert volljährigen Kind zumindest die erhöhten Selbstbehaltsbeträge, wie sie sich im Rahmen des Elternunterhalts ergeben, zuzugestehen.[682] Nach der Düsseldorfer Tabelle beträgt der angemessene Selbstbehalt eines Großelternteils gegenüber dem Enkelkind 1.600 EUR zuzüglich 50 % des diesen Betrag übersteigenden Einkommens.[683] Dies entspricht dem "Super-Selbstbehalt". Das Zusammenleben mit dem anderen Großelternteil ist mit einer Ersparnis durch gemeinsame Haushaltsführung in Höhe von 10 % zu berücksichtigen.[684]

[681] BGH FamRZ 2002, 1698 = FuR 2003, 26.
[682] BGH FamRZ 2006, 26; BGH FamRZ 2002, 1698, 1700 ff. = FuR 2006, 39.

(2) Verbindlichkeiten

 

Rz. 512

Grundsätzlich soll die Unterhaltsverpflichtung der Großeltern gegenüber den Enkelkindern deren Lebensstandard nicht signifikant absenken, soweit sie bei der Gestaltung ihres Lebens keinen unangemessenen Aufwand betreiben.[685] Daher sind Verbindlichkeiten der Großeltern, die sie bereits vor Kenntnis der Unterhaltspflicht eingegangen sind, als Abzugsposition ansetzen, wenn und soweit sie in angemessener Höhe zu den Einkünften stehen.

 

Rz. 513

 

Praxistipp

Da zwischen den Großeltern und deren Enkel ein Verwandtschaftsverhältnis besteht, kann es tatsächlich zur Unterhaltsverpflichtung der Großeltern gegenüber den Enkelkindern kommen, sodass diese von der Unterhaltsverpflichtung Kenntnis haben, sobald sie mit einer Inanspruchnahme durch die Enkelkinder rechnen müssen.

 

Rz. 514

Bei der Rückführung eines Darlehens durch die Großeltern sind die Darlehensraten in voller Höhe, also Zins- und Tilgungsanteil, als Abzugsposition zu berücksichtigen,[686] wenn und soweit die Höhe der regelmäßigen Belastung in einem angemessenen Verhältnis zu den Einkünften steht und in einem Zeitpunkt begründet wurde, zu dem die Großeltern – noch – nicht mit ihrer Inanspruchnahme rechnen mussten.[687]

 

Rz. 515

Auch vorrangige Unterhaltspflichten eines Großelternteils nach § 1609 stellen solche sonstigen Verbindlichkeiten i.S.d. § 1603 Abs. 1 dar.[688]

 

Rz. 516

 

Praxistipp

Eine solche vorrangige Unterhaltspflicht kann der Familien-, bei bestehender Ehe, der Trennungs-, bei getrennter Ehe der Ehegattenunterhaltsanspruch nach Scheidung sein. Daher ist die Höhe dieses Anspruchs nach den allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Der Zahlbetrag ist im Unterhaltsrechtsverhältnis zu den Enkelkindern bei der Leistungsfähigkeit des in Anspruch genommenen Großelternteils als sonstige Verbindlichkeit in Abzug zu bringen. Voraussetzung ist, dass der Anspruch der Ehefrau bzw. des Ehemanns besteht und durch Zahlung bedient wird.[689] Hintergrund ist, dass die Großeltern im Unterhaltsrechtsverhältnis zu den Enkelkindern, wie auch die Kinder im Unterhaltsrechtsverhältnis zu den Eltern, nicht zur Verwertung des Familienheims gezwungen sein sollen.[690]

 

Rz. 517

Die Rechtsprechung des BGH zur Haftung der Großeltern für den Unterhalt der Enkelkinder ist in weiten Teilen an die Rechtsprechung zur Haftung der Kinder für den Unterhalt der Eltern angelehnt. Daher kann auf die Grundsätze des Elternunterhalts im Rahmen der Unterhaltspflicht der Großeltern gegenüber den Enkelkindern zurückgegriffen werden.

[685] BGH FamRZ 2007, 375; OLG Dresden FamRZ 2006, 569.
[687] BGH FamRZ 2006, 26 = FuR 2006, 39.
[688] OLG Schleswig FamRZ 2004, 1058.
[689] Vgl. Weinreich/Eder, § 1607 Rn 45 ff. m.w.N.
[690] BGH FamRZ 2006, 26 = FuR 2006, 39.

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