Rz. 722
Das ein eigenes minderjähriges Kind betreuende volljährige Kind hat einen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern. Alleine die Geburt des Enkelkindes erfüllt nicht den Tatbestand der Verwirkung nach § 1611. Allerdings haften erstrangig der Ehegatte des Kindes oder der nicht verheiratete andere Elternteil für den Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes. Erst im Nachrang haften die Eltern des volljährigen Kindes.
Rz. 723
Anspruchsvoraussetzung ist – unter anderem –, dass das volljährige Kind an der Deckung seines Unterhaltsbedarfs wegen der Betreuung und Versorgung des (Enkel-)Kindes gehindert ist und dass der vorrangig Unterhaltspflichtige leistungsunfähig ist. Allerdings berührt die schwangerschaftsbedingte Verzögerung oder Unterbrechung der Ausbildung den Ausbildungsunterhaltsanspruch nicht.
Rz. 724
Praxistipp
Fehlt es an der eigenhändigen Betreuung und Versorgung des (Enkel-)Kindes, besteht der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach nicht – mehr.
Rz. 725
Hinsichtlich der Erwerbsobliegenheit des volljährigen Kindes ist die geänderte Rechtslage zu § 1615l Abs. 2 zu beachten, nach der die Betreuung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs keine Obliegenheitsverletzung darstellt.
Rz. 726
Praxistipp
Innerhalb der gesetzlichen Mutterschutzfristen trifft das ein eigenes Kind betreuende Kind keine Erwerbsobliegenheit. Daher besteht für den Fall, dass ein Lohnfortzahlungsanspruch nicht gegeben ist, ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gegen seine Eltern.
Rz. 727
Nach den gesetzlichen Wertungen im Rahmen des § 1570 und § 1615l Abs. 2 kann der Elternteil grundsätzlich frei entscheiden, ob er sein Kind selbst betreuen oder einer Fremdbetreuung überlassen will. Vielmehr soll nach Auffassung des BGH in den ersten drei Lebensjahren des Kindes eine Betreuung durch einen Elternteil regelmäßig geboten sein.
Rz. 728
Praxistipp
Aufgrund des Rücksichtnahmegebots kann sich jedoch die Obliegenheit des Kindes gegenüber den (Groß-)Eltern ergeben, zumindest einer geringfügigen Beschäftigung im Umfang weniger Wochenstunden nachzugehen. Zu diesem Zweck ist auch der andere Elternteil zu Betreuung des (Enkel-)Kindes heranzuziehen.
Rz. 729
In der Regel ergibt sich der Bedarf des volljährigen Kindes, das ein eigenes Kind betreut, aus seiner eigenen Lebensstellung, sofern es über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt und/oder für längere Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.
Rz. 730
Der Bedarf folgt dann aus dem Existenzminimum in Höhe von 770 EUR, der gegebenenfalls wegen der Ersparnis aus dem Zusammenleben mit dem anderen Elternteil zu reduzieren ist. Er wird durch das Elterngeld in der Höhe, in welcher es den Sockelbetrag in Höhe von 300 EUR bei Bezug von zwölf Monaten bzw. in Höhe von 150 EUR bei Bezug von 24 Monaten, übersteigt, gemindert. Bezieht das volljährige Kind Leistungen nach dem SGB II oder XII, findet eine Legalzession nicht statt. Also decken die Sozialleistungen den Unterhaltsbedarf.