Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 153
Das Alternativmodell zum Lebensmittelpunkt und zum überwiegenden Zusammenleben mit einem Elternteil bildet das sog. Wechselmodell.
Die Eltern teilen sich die Betreuungszeiten für das Kind, indem z.B. ein wöchentlich wechselnder Aufenthalt bei den jeweiligen Elternteilen praktiziert wird. Um ein Wechselmodell anzunehmen, bedarf es allerdings nicht der exakten hälftigen Aufteilung der Betreuungszeiten. Auch bei einer Aufteilung während der Woche in 3 Tagen bzw. 4 Tagen bei dem jeweils anderen Elternteil muss noch vom Wechselmodell gesprochen werden. Die Grenze wird man allerdings bei einer Betreuung von 3/7 zu 4/7 ziehen müssen.
Rz. 154
In Fällen nicht exakt hälftiger Teilung der Betreuung handelt es sich jedoch nach Auffassung des BGH, um "großzügigen Besuchskontakt"
Der BGH erklärt:
Zitat
"Übernimmt ein Elternteil den größeren Anteil der Betreuung, so ist der andere Elternteil allein barunterhaltspflichtig. Der Unterhaltsanspruch richtet sich dann allein nach dessen Einkommen."
Der BGH verlangt damit – zu Unrecht – eine exakt gleiche zeitliche Aufteilung, um von einem Wechselmodell ausgehen zu können.
Das OLG Düsseldorf hat dagegen erklärt, für eine überwiegende Betreuung genüge,
Zitat
"dass der Anteil eines Elternteils an der Betreuung den Anteil des anderen geringfügig übersteigt".
Rz. 155
Es ist anerkannt, dass mit dem regelmäßigen Wechsel des Kindes zwischen zwei Haushalten Vorteile für das Kind und für die Eltern verbunden sind. Die enge Eltern-Kind-Beziehung zwischen dem Kind und beiden Elternteilen wird aufrechterhalten. Das Kind erlebt den Alltag mit beiden Eltern.
Beide Elternteile bleiben in der Verantwortung für ihre Kinder und werden durch das Wechselmodell von der Mehrfachbelastung, die bei einem allein erziehenden Elternteil besteht, entlastet.
Gleichwohl stehen diesen Vorteilen auch Gefahren und Nachteile gegenüber. Mit dem regelmäßigen Wechsel sind Belastungen für das Kind verbunden, die ein hohes Maß an Kooperation, Kommunikation und Kompromissbereitschaft der Eltern und auch der Kinder erfordern.
Rz. 156
Im Schrifttum und in der Rechtsprechung besteht daher Einigkeit darüber, dass das Wechselmodell nur dann eine Alternative darstellt, wenn die Eltern in der Lage sind, ihre Konflikte einzudämmen, sie beide, so das OLG Koblenz in einem Beschl. v. 12.1.2010, "hochmotiviert und an den Bedürfnissen des Kindes ausgerichtet" sind, sie kontinuierlich kommunizieren und kooperieren können.
Rz. 157
Unverzichtbare Voraussetzung, so heißt es richtig in vielen Entscheidungen weiter, ist ein Konsens zur Durchführung der wechselseitigen Betreuung und ein gemeinsamer Kooperationswille.
Der Wille zur Kooperation um des Kindeswohls willen ist allerdings nicht gleichzusetzen mit dem Willen zur Praxis des Wechselmodells. Richtig ist sicher, dass die Einrichtung eines Wechselmodells gegen den Widerstand eines Elternteils in der Regel nicht infrage kommen kann. Sind die übereinstimmenden Voraussetzungen nicht gegeben, kann es, worauf Soyka richtig hinweist, zu Erziehungsdefiziten kommen, die "zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls" führen.