Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
a) Grundsätze zum unterschiedlichen Bedarf
Rz. 124
Der unterschiedliche Bedarf von Kindern entsprechend den unterschiedlichen Lebensstellungen der Eltern ist zusammengefasst in der Düsseldorfer Tabelle, die seit dem 1.1.1979 vom OLG Düsseldorf herausgegeben wird.
Die Düsseldorfer Tabelle hat derzeit den Stand vom 1.1.2022 und beruht auf der am 1.1.2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsänderung.
Die Düsseldorfer Tabelle baut seitdem auf dem in § 1612a Abs. 1 BGB festgelegten gesetzlichen Mindestunterhalt auf. Die Richtsätze der ersten Einkommensgruppe der Tabelle entsprechen jeweils dem gesetzlichen Mindestunterhalt. Dieser Mindestunterhalt richtet sich wiederum nach dem doppelten Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach § 32 Abs. 6 S. 1 des EStG.
Die Düsseldorfer Tabelle wird hinsichtlich des Kindesunterhalts von allen Oberlandesgerichten angewendet, jedoch im Einzelnen auch modifiziert.
Feste Bedarfssätze werden für volljährige Kinder mit eigenem Haushalt, also vor allem Studenten, festgelegt.
Rz. 125
Die Düsseldorfer Tabelle regelt den Kindesunterhalt vom Existenzminimum bis zu sehr guten Einkommensverhältnissen von bis zu 11.000,00 EUR netto monatlich der Eltern.
Sie teilt sich faktisch in elf Einkommensgruppen und in vier Altersstufen auf. Die Einkommensgruppen erfassen nach dem Stand vom 1.1.2022 Monatseinkommen von bis zu 1.900,00 EUR in der Gruppe 1 bis zu 11.000,00 EUR in der Gruppe 15. Sie beziehen sich auf das sog. bereinigte Nettoeinkommen. Dabei ist das Bruttoeinkommen um die unterhaltsrechtlich relevanten Abzüge zu bereinigen, das sind beim Kinderunterhalt Einkommen- und Kirchensteuer, Vorsorgeaufwendungen für Alter und Krankheit, berufsbedingte Aufwendungen Nichtselbstständiger (nach Anm. A. 3 der DT eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens, höchstens aber 150,00 EUR), konkreter Mehrbedarf wegen Krankheit oder Alters sowie berücksichtigungsfähige Schulden.
Die erste Einkommensgruppe hat einen für die Dynamisierung bedeutsamen Vomhundertsatz von 100 %, der dann je Einkommensgruppe um 5 % bis zur 5. Einkommensgruppe einschließlich und dann um jeweils 8 % je Einkommensgruppe bis zum Höchstsatz von 200 % steigt.
Dieser Höchstsatz beruht auf einer neueren Entscheidung des BGH: Der BGH hat durch Beschl. v. 16.9.2020 unter Aufgabe früherer Rechtsprechung erklärt, dass eine "begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin (zurzeit ausgewiesenen Einkommensbetrags" möglich ist.
Rz. 126
Die Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle decken den gesamten Lebensbedarf ab. Deshalb sind Sonderausgaben, die z.B. anlässlich eines Geburtstages anfallen, bereits einbezogen. Regelmäßiger Mehrbedarf oder auch unvorhergesehen auftretender Sonderbedarf ist ggf. gesondert auszugleichen.
Ebenfalls einbezogen in die pauschalen Beträge der Düsseldorfer Tabelle sind Ferienzeiten, bei denen das Kind einige Wochen bei dem barunterhaltspflichtigen Elternteil verbringt. Anders ist die Situation lediglich dann, wenn sich der regelmäßige Aufenthalt bei dem anderen Elternteil einem Wechselmodell mit gleicher Betreuungszeit annähert. Dann könnte eine Herabgruppierung in der Düsseldorfer Tabelle in Betracht kommen. Ebenso kommt eine Höherstufung in Betracht.
Jeweils ist das Ergebnis nämlich zusätzlich auf seine Angemessenheit zu überprüfen. Bei unterdurchschnittlicher oder umgekehrt überdurchschnittlicher Unterhaltslast ist eine Höherstufung bzw. eine Herabstufung möglich.
Rz. 127
Die Altersstufen entsprechen der Regelung des § 1612a Abs. 1 Nrn. 1–3 BGB. Die in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen monatlichen Unterhaltsrichtsätze beziehen sich auf zwei Unterhaltsberechtigte, ohne Rücksicht auf deren Rang.
Bei einer größeren oder geringeren Anzahl von Unterhaltsberechtigten können Ab- und Zuschläge durch Einstufung in die niedrigere/höhere Gruppe angemessen sein. Der dort ebenfalls ausgewiesene Bedarfskontrollbetrag ist ab der Einkommensgruppe 2 nicht identisch mit dem Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem unterhaltsberechtigten Kind gewährleisten. Die Unterhaltsbeträge der Tabelle enthalten nicht die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung; ist das Kind ausnahmsweise hierfür nicht familienmitversichert, so sind die erforderlichen Beiträge zusätzlich zum Tabellenunterhalt zu bezahlen, vermindern aber vorab das anzusetzende Nettoeinkommen.
Rz. 128
Mindestunterhalt für das Kind wird regelmäßig zu zahlen sein. Wenn der Mindestunterhalt, also das Existenzminimum, vom unterhaltspflichtigen Elternteil nicht abgedeckt wird, muss die Existenz des Kindes von Dritten gesichert werden. Die Verpflichtung der Eltern geht dieser Einstandspflicht Dritter immer vor. Dies bedeutet, dass sehr hohe Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit des barunterhaltspflichtigen Elternteils zu stellen sind. Es greift die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 160...