Rz. 130

Ein Anspruch auf die Abdeckung eines Mehrbedarfs besteht, wenn bei einem Kind aufgrund besonderer Umstände zusätzliche Mittel für besondere Aufwendungen benötigt werden, die durch den pauschalierten Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle[135] nicht abgedeckt werden und deshalb zusätzlich zum Kindesunterhalt geleistet werden müssen.

Es handelt sich bei Mehrbedarf um einen solchen Teil des Lebensbedarfs, der regelmäßig – jedenfalls während eines längeren Zeitraums – anfällt, das Übliche übersteigt, allerdings kalkulierbar ist und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhaltes berücksichtigt werden kann.[136]

 

Rz. 131

Mehrbedarf grenzt sich von Sonderbedarf dadurch ab, dass letzterer einen unregelmäßigen außergewöhnlichen hohen Bedarf darstellt, der nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhalts nicht berücksichtigt werden konnte. Eine Eingruppierung als Sonderbedarf scheidet damit schon aus, wenn die zusätzlichen Kosten mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen waren.[137]

 

Rz. 132

Einzelfälle:

Kosten der Konfirmation oder Kommunion sind kein Sonderbedarf, so der BGH, sondern Mehrbedarf, da die Kosten mit Beginn des entsprechenden Unterrichts voraussehbar waren;[138] Nach anderer Ansicht, der zuzustimmen ist, können solche Kosten durchaus Sonderbedarf sein. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die laufende Unterhaltsrente so niedrig ist, dass sie die Bildung ausreichender Rücklagen von vornherein nicht erlaubt.[139]
Eine Brille stellt keinen Sonderbedarf dar, wenn absehbar war, dass diese benötigt werde;
Die Erstausstattung eines Säuglings ist Sonderbedarf im Sinne des § 1613 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB;[140]
Ärztliche Behandlungskosten größeren Umfangs sind Sonderbedarf;[141]
Eine plötzlich notwendige Zahnbehandlung ist Sonderbedarf, die lang andauernde kieferorthopädische Behandlung möglicherweise aber ebenfalls;[142]
Kosten des Nachhilfeunterrichts sind dann Sonderbedarf, wenn sie überraschend oder nur vorübergehend anfallen.[143]
Die regelmäßigen zusätzlichen Aufwendungen aufgrund besonderer Umstände, also Mehrbedarf, können sein:
Krankheitsmehrbedarf;
Ausbildungsbedingter Mehrbedarf des Kindes;
Krankheitsvorsorgeunterhalt des Berechtigten nach §§ 1578 Abs. 2, 1361 Abs. 1 BGB;
Ergibt sich aus gesundheitlichen Gründen beim Kind ein Mehrbedarf, kann dieser nach den Grundsätzen für den ausbildungsbedingten Mehrbedarf geltend gemacht werden, sofern er konkret dargelegt und bewiesen wird. Zuerkannt wird ausschließlich, was "medizinisch notwendig" ist. Beispiel: Bei Erkrankung an Diabetes unterscheiden Gerichte bei der Verwendung von Nahrungsmitteln danach, ob diese wirklich medizinisch notwendig sind. So ist z.B. die Verwendung von Reformhausprodukten dem "Lifestyle" zuzurechnen.[144]
 

Rz. 133

Anerkannt wurde Mehrbedarf bei Darlegung der Notwendigkeit u.a. in folgenden Fällen:

Fahrtkosten bei Behinderung[145]
Energiekosten[146]
Krankenversicherung[147]
Lebenshaltungskosten[148]
Medikamente[149]
Umzugskosten[150]
Versicherungen[151]
 

Rz. 134

Mehrbedarf ist grundsätzlich konkret darzulegen und zu beweisen. Der Bedürftige, der den Mehrbedarf geltend macht, ist beweispflichtig. Die angemessene Höhe kann aber auch einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO unterliegen.[152] Eine Schätzung spielt jedoch nur dann eine Rolle, wenn es dem betroffenen Kind nicht zumutbar ist, seine besonderen Aufwendungen in allen Einzelheiten spezifiziert darzulegen.[153]

 

Rz. 135

Über die Kosten eines Mehrbedarfs können sich Beteiligte sowohl konkret nach den Aufwendungen als auch pauschal mit monatlichen Beträgen einigen.

Die konkrete Einigung auf anfallende Kosten birgt für den Unterhaltspflichtigen das Problem, nicht sicher mit bestimmten Kosten rechnen zu können.

Hier ist man auf eine pauschalierende Verfahrensweise angewiesen, die dann am Ende eines Kalenderjahres überprüft werden kann.

[135] Vgl. dazu Zif. 12.4 der jeweiligen Leitlinien der Oberlandesgerichte.
[136] Zur Definition vgl. Kleffmann/Soyka/Soyka, Kap. 1 Rn 16.
[137] Ausführlich Roßmann/Viefhues/Viefhues, Rn 594 ff.
[138] Str; so BGH FamRZ 2006, 612 mit krit. Anm. Luthin; vgl. Wendl/Dose/Scholz, § 6 Rn 16 m.w.N.
[139] So auch Wendl/Dose/Scholz, § 6 Rn 4 und Rn 16.
[140] Roßmann/Viefhues/Viefhues, Rn 600.
[141] BGH FamRZ 1992, 291.
[142] Str.: so OLG Celle OLGR 2008, 241; OLG Düsseldorf ZFE 2003, 348; a.A. Roßmann/Viefhues/Viefhues, Rn 600.
[143] OLG Köln FamRZ 1999, 531.
[144] OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 751.
[145] BGH FamRZ 1988, 921, 923.
[146] BGH FamRZ 1988, 921, 923.
[147] BGH FamRZ 1991, 414, 415.
[148] OLG Düsseldorf NJW 1990, 2695.
[149] OLG Hamm FamRZ 1999, 1349.
[150] OLG Köln FamRZ 1986, 163.
[151] BGH FamRZ 1988, 921, 924.
[152] BGH FamRZ 1981, 338.
[153] BGH FamRZ 1981, 338.

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