Rz. 365

Mit Trennung der Eltern besteht zwar grundsätzlich die gemeinsame Elternverantwortung fort, doch hat derjenige, der mit dem Kind zusammenlebt, die ausschließliche Entscheidungsbefugnis in allen Angelegenheiten, die nicht von erheblicher Bedeutung für das Kind sind. In allen anderen Fällen wird von den Eltern die Herbeiführung eines Einvernehmens verlangt, vgl. § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB.[442]

[442] In der Praxis eine "Alleinsorge mit einer Mitbestimmung des anderen Elternteils in wichtigen Angelegenheiten", so Schwab in FamRZ 1998, 457, 458.

1. Gemeinsame elterliche Sorge

 

Rz. 366

Miteinander verheiratete Eltern sind gemeinsam sorgeberechtigt, es sei denn, einem Elternteil ist das Sorgerecht ganz oder teilweise entzogen worden.

Wird im Scheidungsverfahren kein Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge gestellt, verbleibt es beim gemeinsamen Sorgerecht der Kindeseltern in der Ausgestaltung nach Trennung der Parteien. Dies ist statistisch der Regelfall.[443]

Das Beibehalten des gemeinsamen Sorgerechts kann selbstverständlich zwischen Eltern auch ausdrücklich vereinbart werden, z.B. im Rahmen einer Vereinbarung, mit der Eltern für den Aufenthalt der Kinder das sog. Wechselmodell festlegen.[444]

[443] Vgl. Motzer, FamRZ 2004, 1145, 1155 (rd. 75 % aller Fälle); dies war vor der Kindschaftsrechtsreform vom 1.7.1998 völlig anders. Kloster-Harz meint dazu, die Reform habe bewirkt, dass Eltern ein neues Verantwortungsbewusstsein für die Situation ihres Kindes im Trennungs- und Scheidungsprozess entwickelt haben, vgl. FPR 2008, 129 ff., 131.
[444] Zur Genehmigungsfähigkeit einer solchen Vereinbarung vgl. OLG Dresden FamRZ 2005, 125.

2. Einvernehmliche Alleinsorge

 

Rz. 367

Wünscht ein Elternteil für den Fall der Scheidung die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich allein, so ist im Verbundverfahren ein Antrag nach § 1671 Abs. 1 BGB zu stellen. Ist dem Scheidungsantrag stattzugeben, ist gleichzeitig über die Folgesache einheitlich durch Beschluss zu entscheiden.

 

Rz. 368

 

Hinweis

Einem Elternteil, dem die elterliche Sorge bereits entzogen ist, steht nicht das Recht zu, die Übertragung der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB zu beantragen. Dies gilt auch im Falle der Zustimmung aller Beteiligten (§ 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB) zu einer Sorgerechtsregelung.

Stimmt der andere Elternteil der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge zu, ist dem Antrag gem. § 1671 Abs. 1 Nr. 1 BGB stattzugeben, es sei denn, das über 14 Jahre alte Kind widerspricht der Übertragung.[445]

Ausschlaggebend ist in allen sonstigen Fällen – ohne weitere Sachprüfung des Gerichts – der gemeinsame Elternwille.[446]

Der Widerspruch des über 14 Jahre alten Kindes führt allerdings nicht per se zu einer Verhinderung der Übertragung des Sorgerechts. Vielmehr hebt der Widerspruch die Bindungswirkung des Elternwillens für das Gericht auf. Es ist in diesen Fällen zu einer vollen Kindeswohlprüfung verpflichtet.[447]

[445] BGH DA 2000, 704; vgl. dazu auch Büte. FK 2007, 16.
[446] Anders nur bei Kindeswohlgefährdung, OLG Rostock FamRZ 1999, 1599.
[447] Vgl. Gerhard/Oelkers, 4. Kap. Rn 134; Grün, Das neue Kindschafts- und Unterhaltsrecht in der anwaltlichen Praxis, Rn 68.

3. Streit um Alleinsorge

 

Rz. 369

Im Streitfall ist dem Antrag gem. § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB dann stattzugeben, wenn zu erwarten ist,[448] dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohle des Kindes am besten entspricht, das gemeinsame Sorgerecht also ausscheidet.

Der Antrag lautet wie folgt:

 

Rz. 370

Muster 2.38: Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge

 

Muster 2.38: Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge

In der Folgesache elterliche Sorge

(volles Rubrum)

wird für den Fall der rechtskräftigen Scheidung beantragt,

das Sorgerecht für das gemeinsame Kind der Parteien _________________________, geb. am _________________________.

auf die Antragstellerin zu übertragen.

 

Rz. 371

Das erkennende Gericht hat sodann eine Kindeswohlprüfung in zwei Stufen vorzunehmen.

Zunächst ist die Frage der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge klären und sodann die Übertragung der elterlichen Sorge auf den antragstellenden Ehegatten zu prüfen.[449]

Ist die gemeinsame elterliche Sorge nach Prüfung durch das Gericht nicht aufrecht zu erhalten, ist in zweiter Stufe zu prüfen, ob die Übertragung der Alleinsorge auf den antragstellenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht.

[448] Dazu OLG Stuttgart FamRZ 2014, 1715; OLG Celle FamRZ 2014, 857.
[449] Vgl. Schnitzler/Knittel, § 14 Rn 80.

4. Regelung bei nichtehelichen Lebensverhältnissen, § 1671 Abs. 2 BGB

 

Rz. 372

Die Vorschrift zur Übertragung der Alleinsorge bei getrenntlebenden Eltern, § 1671 BGB, gilt unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht.

Wesentlicher Anknüpfungspunkt ist allein die vollzogene dauerhafte Trennung.[450]

Die Neuregelung des § 1671 BGB vom 19.5.2013[451] und die Aufhebung des § 1672 BGB führte dazu, dass § 1671 Abs. 2 BGB auch den Fall erfasst, dass die Mutter nach § 1626a Abs. 3 BGB alleinsorgeberechtigt ist und der bislang nicht mitsorgeberechtigte Vater die Übertragung der elterlichen Sorge in ihrer Gesamtheit oder in Teilbereichen b...

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