Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 142
Leistungsfähig nach § 1603 Abs. 1 BGB ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen im Stande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Gem. § 1603 Abs. 2 BGB müssen Eltern hierfür gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern alle verfügbaren Mittel einsetzen. Dasselbe gilt gem. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB für volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, wenn sie sich einer allgemeinen Schulausbildung befinden.
Rz. 143
Außerstande, Unterhalt zu zahlen, ist derjenige, dem es unter den genannten Voraussetzungen nicht möglich ist, zum Unterhalt seines Kindes beizutragen. Der notwendige Eigenbedarf (Selbstbehalt), also das Existenzminimum, dass dem Unterhaltsschuldner verbleiben muss, beträgt derzeit bei Nichterwerbstätigen 960 EUR, bei Erwerbstätigen 1.160 EUR monatlich.
Rz. 144
Maßgebend für die Beurteilung ist das gesamte Einkommen des Schuldners, soweit es für den Unterhalt des Kindes zur Verfügung steht. Nicht zur Verfügung steht es, wenn ein Dritter freiwillig an den Unterhaltsschuldner Leistungen erbringt mit dem ausdrücklichen Willen, die Zuwendung dem Betroffenen zukommen zu lassen, ohne dass dies auf dessen Unterhaltsverpflichtungen Einfluss nehmen soll. Solche Zuwendungen können Geldgeschenke sein, seien sie einmaliger oder regelmäßiger Natur oder Sach- bzw. Naturalleistungen wie unentgeltliche Wohnungsgewährung, Verköstigung etc.
Rz. 145
In Ausnahmefällen sind auch sog. fiktive Einkünfte anrechenbar. Dies ist dann der Fall, wenn der Unterhaltsschuldner durch "verantwortungsloses, zumindest leichtfertiges und unterhaltsbezogenes Verhalten" seine Leistungsunfähigkeit selbst schuldhaft herbeigeführt hat. An die Möglichkeit, fiktive Einkünfte anzusetzen, sind allerdings dadurch erhebliche Anforderungen gestellt, dass die von der Rechtsprechung verlangte "Leichtfertigkeit" eine bewusste Fahrlässigkeit beinhaltet.
Danach muss der Unterhaltsschuldner zumindest im Bewusstsein der Möglichkeit seiner aus dem Verhalten resultierenden Leistungsunfähigkeit gehandelt haben.
Rz. 146
Das Bundesverfassungsgericht hat zu fiktiv anzurechnenden Einkünften erklärt, dass auch im Rahmen der gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit nichts Unmögliches verlangt werden kann. Sind die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten objektiv nicht erzielbar, etwa wegen seines Gesundheitszustandes und wird ihm die Erwirtschaftung eines Einkommens abverlangt, liege regelmäßig ein unverhältnismäßiger Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit vor. Hat der Pflichtige ausrechend substantiiert konkrete Umstände vorgetragen, die eine Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit ergeben können, sind die Gerichte im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung gehalten, ein fiktives Einkommen ausgehend von den vorgetragenen Umständen realitätsgerecht festzustellen.
Rz. 147
Danach sind die folgenden Feststellungen bei der Annahme eines fiktiven Einkommens zu treffen:
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konkrete Feststellungen des zur Deckung des Mindestbedarfs aller unterhaltsberechtigten minderjährigen Kinder erforderlichen Einkommens, |
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Feststellung des Fehlens ausreichender Erwerbsbemühungen des Unterhaltspflichtigen, |
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Begründung, warum der Vortrag des Unterhaltspflichtigen, kein ausreichendes Einkommen erzielen zu können, nicht ausreichend ist, |
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Alternativ: konkrete Feststellungen, dass für den Unterhaltspflichtigen objektiv die Möglichkeit bestünde, ein auskömmliches Einkommen zu erzielen. |
Rz. 148
Auch wenn es um die Zahlung des Mindestunterhalts für ein minderjähriges Kind geht, werden in der anwaltlichen Beratung allgemein gehaltene Feststellungen daher nicht ausreichen, um ein auskömmliches Einkommen im Wege der Fiktion zu unterstellen.
Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit für den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder hat der Unterhaltspflichtige sodann – falls vorhanden – den Stamm seines Vermögens bis auf einen Schonbetrag von 2.000 bis 3.000 EUR für den Unterhalt zu verwerten. Steht Vermögen bar nicht zur Verfügung, ist es zumutbar, für einen überschaubaren Zeitraum den Unterhalt fremd zu finanzieren.
Rz. 149
Verluste aus einer selbstständigen Nebentätigkeit sind im Übrigen nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn der Mindestunterhalt gesichert und deshalb keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit mehr besteht.
Rz. 150
In vielen Fällen wird streitig sein, ob die Voraussetzungen für die Annahme einer Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsschuldners vorliegen.
Gerade in Fällen vorübergehender Leistungsunfähigkeit wir es häufig sinnvoll sein, sich über die Frage des Unterhalts zu verständigen, statt hierüber zu prozessieren.
Ist bei Trennung zwischen Eheleuten eine zuvor begonnene Umschulung noch nicht abgeschlossen, ist eine Einigung über den eigentlich zu zahlenden Unterhalt in geeigneten Fällen wie folgt möglich:
Rz. 151
Muster 2.14: Vereinbarung über den Abschlus...