Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 355
Die Kontrollmöglichkeiten eines Arbeitgebers umfassen die Kontrolle der Telefondaten einerseits sowie die (Gesprächs-)Inhaltskontrolle.
Inhaltskontrolle bedeutet, dass der Arbeitgeber Kenntnis vom konkreten Gesprächsinhalt der Arbeitnehmer erlangt. Diese Kontrolle kann zum einen durch Mithören in Echtzeit erfolgen. Zum anderen ist an das Aufzeichnen und Speichern von Gesprächsinhalten, darauf aufbauend etwa die Erstellung von Verwendungsberichten, Nutzungsanalysen oder Ereignisprotokollen zu denken. Der zentrale Administrator z.B. ist in der Lage, bei allen Nutzern in den einzelnen Betrieben nachzuverfolgen, zu welchen Zeiten sie wie lange in Gesprächen sind oder waren. Er hat zudem meist die Möglichkeit, auf sämtliche Benutzerdaten aus den Anwendungen zuzugreifen. Inhaltliche Kontrollen begründen immer einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG – insbesondere in Gestalt des Rechts am eigenen Wort. Durch das Recht am eigenen Wort darf der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst bestimmen, wem ein Kommunikationsinhalt bekannt werden soll. Auf dieses Recht kann sich der Arbeitnehmer sowohl bei Dienst- als auch bei Privatgesprächen berufen. Daneben ergeben sich nicht selten Eingriffe in das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK. Der Begriff des Privatlebens ist weit auszulegen:
Einen rechtlichen Rahmen erhalten die erlaubten Privatgespräche insbesondere durch die datenschutzrechtlichen Vorschriften der DS-GVO, des BDSG sowie des TDDDG. Aus materiellrechtlicher Sicht hat sich dabei mit Einführung der DS-GVO im Mai 2018 nichts geändert. Eine Datenverarbeitung ist weiterhin erst zulässig, wenn sie sich entweder auf eine Einwilligung des Betroffenen oder auf einen normativen Erlaubnistatbestand stützt (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Gemäß Art. 1 Abs. 2 DS-GVO schließt der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten alle Grundrechte und Grundfreiheiten ein. Dazu gehört neben dem Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh das Recht der Betroffenen auf seelische und körperliche Unversehrtheit bei der Datenverarbeitung (Art. 3 GRCh), deren Recht auf Nichtdiskriminierung (Art. 21 GRCh) sowie der Anspruch Beschäftigter auf gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen (Art. 31 GRCh). Die Verordnung enthält jedoch keine separaten Regelungen zum Mitarbeiterdatenschutz. Stattdessen sieht Art. 88 DS-GVO eine sog. "Öffnungsklausel" vor. Hiernach dürfen die Mitgliedsstaaten den Bereich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten eigenständig regeln und zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten spezifische Vorschriften erlassen.
Der bundesdeutsche Arbeitgeber hat hiervon ausgehend das BDSG überarbeitet und § 26 BDSG als maßgebliche Norm für den Beschäftigungsdatenschutz eingeführt. Inhaltlich gleicht dieser weitgehend § 32 BDSG aF. Dies hat zur Folge, dass auch unter neuer Rechtslage datenschutzrechtlich weitgehend die gleichen Maßstäbe für Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen durch Arbeitgeber gelten. Durch die DSGVO tritt die Möglichkeit für betroffene Beschäftigte hinzu, statt vor den Arbeitsgerichten vor dem Verwaltungsgericht gegen Bescheide der Aufsichtsbehörde zu klagen, wenn ihnen die Bearbeitung ihrer Beschwerde gegen den Arbeitgeber nicht gefällt (Art. 78 DS-GVO).
Rz. 356
Durch ein Urteil des EuGH vom 30.3.2023 – C 34/21 bestehen Zweifel an der Wirksamkeit des § 26 BDSG in seiner Funktion als zentrale Norm des Beschäftigtendatenschutzes. Darin konkretisierten die Richter die Voraussetzungen des Art. 88 DS-GVO und legten fest, inwieweit diese durch die nationale Norm umzusetzen sind. Die Regelung in § 23 Abs. 1 S. 1 des hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG), um die es im konkreten Fall ging, erfülle diese Voraussetzungen nicht. Dem EuGH zufolge muss eine Norm, um als spezifischere Vorschrift i.S.d. Art. 88 Abs. 1 DS-GVO eingestuft zu werden, die Vorgaben des Art. 88 Abs. 2 DS-GVO einhalten. Danach muss die mitgliedstaatliche Norm Regelungen zu geeigneten und besonderen Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person enthalten. Nur unter diesen Bedingungen liege eine echte Spezialregelung zu Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO vor. Der § 23 Abs. 1 S. 1 HDSIG wiederhole dessen Regelung aber nur und stelle keine speziellen Anforderungen auf. Die hessische Norm ist weitgehend wortgleich mit § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG. Das Urteil erweckt deshalb berechtigte Zweifel an dessen Wirksamkeit. Eine Entscheidung zur BDSG-Vorschrift steht noch aus. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Verarbeitung von Beschäftigtendaten bestehen aber keine Bedenken. Der EuGH stellte nämlich auch fest, dass die Regelung des Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO eine ebenso wirksame Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung im Beschäftigtenkontext ist. Sollte § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG für unwirksam erklärt werde...