Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 1105
Der Gesetzgeber hat mit der am 1.1.1999 umfassend in Kraft getretenen Insolvenzordnung ein einheitliches Insolvenzverfahren geschaffen. Die Gläubiger werden durch ein geregeltes und vom Insolvenzgericht überwachtes Verfahren gleichmäßig befriedigt. Wegen einer besseren Verteilungsgerechtigkeit und akzeptableren Quoten für alle Gläubiger gibt es im Insolvenzverfahren – anders als früher durch die Regelungen in der Konkursordnung – keine bevorrechtigten Gläubigergruppen mehr. Rückständiges Arbeitsentgelt ist als einfache Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO zur Insolvenztabelle anzumelden und den Arbeitnehmern kommt ein Stimmrecht in der Gläubigerversammlung zu. Es gibt jedoch kein besonderes Arbeitsrecht der Insolvenz.
a) Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Insolvenz
Rz. 1106
Die Insolvenz des Arbeitgebers hat auf die Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Vorschriften, wie beispielsweise den Kündigungsschutz und die Geltung des § 613a BGB sowie auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses, grundsätzlich keine Auswirkungen (§ 108 Abs. 1 S. 1 InsO). Prinzipiell soll auch in der Insolvenz der Schutz der Arbeitnehmer durch zwingendes Arbeitsrecht erhalten bleiben. Die Interessen der Arbeitnehmer stehen lediglich dort zurück, wo der Gesetzgeber den Interessen der anderen Insolvenzgläubiger ausdrücklich Vorrang eingeräumt hat, so z.B. in den Vorschriften §§ 113, 120–122 und 125–128 InsO.
aa) Arbeitgeberstellung in der Insolvenz
Rz. 1107
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht und damit auch die Arbeitgeberstellung kraft Gesetzes vom Gemeinschuldner auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Voraussetzung dafür ist, dass das Arbeitsverhältnis zum Eröffnungszeitpunkt noch fortbesteht. Der Gemeinschuldner behält nur ausnahmsweise bei Anordnung der Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters weitgehend die Arbeitgeberstellung.
(1) Vorläufiger Insolvenzverwalter vor der Insolvenzeröffnung
Rz. 1108
Im Insolvenzeröffnungsverfahren, also nach Antragstellung auf Insolvenzeröffnung durch den Gemeinschuldner oder einen Gläubiger, bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Wenn das Gericht als Sicherungsmaßnahme dem Gemeinschuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO), verliert der Gemeinschuldner bereits zu diesem Zeitpunkt seine Arbeitgeberstellung an den sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 InsO). In der Regel ordnet das Gericht aber lediglich an, dass Verfügungen des Gemeinschuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Bei diesem Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO bestellt das Gericht einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter. Die Arbeitgeberstellung und damit auch die Kündigungsbefugnis verbleiben beim Gemeinschuldner. Die erforderliche Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters ist bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses dieser in urkundlicher Form beizufügen. Andernfalls kann die Kündigung nach § 182 Abs. 3 BGB i.V.m. § 111 S. 2 BGB vom Arbeitnehmer zurückgewiese...