Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 313
Zu Abs. 1: Es besteht im Arbeitsverhältnis keine Pflicht, Provisionen zu gewähren. Wird aber ein Provisionsanspruch durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung begründet ("bedungen" gem. § 65 HGB), sind die während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, deren Abschluss bzw. Vermittlung dem Arbeitnehmer übertragen war, und für die das Tätigwerden des Mitarbeiters (mit)ursächlich geworden ist, provisionspflichtig (§§ 65, 87 Abs. 1 S. 1 Var. 1 HGB). Nicht von §§ 65, 87 Abs. 1 HGB geregelt ist, ob dem Mitarbeiter der Abschluss und die Vermittlung bestimmter Geschäfte zugewiesen ist. Durch die Definition des Aufgabenfelds im Arbeitsvertrag bzw. Regelungen in einer Betriebsvereinbarung wird bestimmt, für welche Geschäfte überhaupt Provision verdient werden kann (etwa als reine Tätigkeitsprovision für eigene Geschäfte oder auch als solche für die Geschäftsabschlüsse im Team oder in einem bestimmten Bezirk o.ä.). Dabei unterliegt weder die Festlegung, ob Provisionen gezahlt werden sollen, noch die Höhe der Provision der Mitbestimmung des Betriebsrats (siehe oben Rdn 309).
Zu Abs. 2: Das Gesetz sieht zusätzlich gem. §§ 65, 87 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB auch solche Geschäfte als provisionspflichtig an, die ohne sonstigen Beitrag des Provisionsberechtigten mit Kunden abgeschlossen werden, die der Provisionsberechtigte neu als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Dieser Anspruch kann nach der h.M. arbeitsvertraglich abbedungen werden. Dies ist so im Muster vorgesehen.
Gemäß § 65 HGB findet § 87 Abs. 2 HGB keine Anwendung auf Handlungsgehilfen (oder sonstige Arbeitnehmer), sodass von Gesetzes wegen kein Gebietsschutz besteht.
Zu Abs. 3: Die Höhe der Provision und ihr Bezugspunkt sind frei gestaltbar – insofern besteht auch kein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. In der Aufstellung der Provisionssätze können z.B. für bestimmte Produkte oder Systeme feste Beträge pro Verkaufseinheit – oder auch pro Verkaufseinheit nach Erreichen eines bestimmten Mindestumsatzes – zugewiesen werden. Denkbar ist die Festschreibung unterschiedlicher Staffelungen nach steigendem Vertragswert.
Zu Abs. 4: Gemäß § 87a Abs. 1 S. 1 HGB entsteht der Anspruch mit Ausführung des Geschäfts durch den Arbeitgeber. Eine Abweichung ist gegen Vorschusszahlung möglich (und üblich), § 87a Abs. 1 S. 2 HGB. Die Regelung nutzt den bestehenden Gestaltungspielraum zugunsten des Arbeitgebers aus. Hierbei geht die Regelung ebenso wie die §§ 87a ff. HGB davon aus, dass der Arbeitgeber in Vorleistung tritt. Spätester Zeitpunkt für die (vollständige) Provisionszahlung ist die Ausführung des Geschäfts durch den Geschäftspartner (d.h. die Kaufpreiszahlung). Entsprechend ist der monatliche Vorschuss (§ 4 Abs. 2 des Musters) zu bemessen.
Der Provisionsanspruch entfällt, wenn das Geschäft vom Arbeitgeber ganz oder teilweise nicht ausgeführt wird und der Arbeitgeber die Umstände der Nichtausführung nicht zu vertreten hat, § 87 Abs. 3, 5 HGB. Ein Anspruch auf die Provision besteht nach § 87a Abs. 2 S. 1 HGB jedoch weiterhin, wenn die rechtzeitige Nachbearbeitung durch den Unternehmer unterbleibt trotz Möglichkeit. Nicht zu vertreten hat der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung Umstände, die nicht seinem unternehmerischen oder betrieblichen Risikobereich zuzuordnen sind, wie etwa unvorhersehbare Betriebsstörungen oder rechtswidrige Eingriffe von hoher Hand. Im Hinblick auf die Frage der Zumutbarkeit nach § 87a Abs. 3 HGB ist offen, ob eine Konkretisierung des Verschuldensmaßstabs zulässig oder stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist.
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass der Kunde seine Leistung erbringt – über die Wahl der Mittel kann der Arbeitgeber nach freiem Ermessen entscheiden. Er muss aber alle sinnvollen Maßnahmen ergreifen – bis hin zur gerichtlichen Durchsetzung. Diese ist dem Arbeitgeber jedoch z.B. bei Insolvenz des Vertragspartners nicht zumutbar, bei zu geringfügig ausstehenden Forderungsbeträgen, bei Vertrieb bestimmter Massegüter des täglichen Bedarfs mit geringem Wert des Einzelvertrags.
Im Hinblick auf die Rückerstattung ist für den Wegfall der Provision bei fehlender Leistung des Dritten nach § 87a Abs. 2 HGB in der hiesigen Konstellation kein Raum, da der Anspruch nach § 87a Abs. 1 S. 3 HGB schon nicht entsteht, soweit der Dritte endgültig nicht leistet. Gleichwohl ist in § 4 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung ein Rückzahlungsanspruch generell für überzahlte Provisionen vorgesehen – ebenso für einen etwaig überzahlten Vorschuss. Der Rückzahlungsanspruch eines zu viel geleisteten Vorschusses ergibt sich nach der Rechtsprechung dabei bereits aus der Vorschussvereinbarung – nicht aus Bereicherungsrecht. Damit entfällt diesbezüglich die Möglichkeit des Mitarbeiters, sich auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen. Gleichwohl ist § 818 Abs. 3 BGB zusätzlich ausgeschlossen, um den Einwand des Wegfalls der Bereicherung auch für andere Fälle der Rückforderu...