Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 509
Gemäß § 170 Abs. 2 S. 7 SGB IX ist der Betriebsrat als Interessenvertretung gem. § 176 SGB IX dafür zuständig, den Arbeitgeber bei der Einhaltung ihm obliegender Verpflichtungen gem. § 167 SGB IX zu überwachen. Das BAG hatte darüber zu entscheiden, ob ein Betriebsrat im Zusammenhang mit dieser Pflicht verlangen kann, dass ihm der Arbeitgeber sämtliche Namen bekannt gibt, die für die Durchführung eines BEM in Betracht kommen. In dem zu entscheidenden Fall hatten die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung festgelegt, dass der Betriebsrat quartalsmäßig zusammen mit einer Mitarbeiterliste ein Verzeichnis derjenigen Mitarbeiter erhält, die die Voraussetzungen für ein BEM erfüllen. Der Arbeitgeber sollte gleichzeitig mitteilen, ob er aus seiner Sicht ein BEM für geeignet und sinnvoll erachte und eine nachvollziehbare Begründung dafür abgeben. Sofern der Arbeitgeber ein BEM nicht für sinnvoll erachte und der Betriebsrat diese Auffassung teile, finde ein BEM nicht statt. Ferner war in dieser Vereinbarung geregelt, dass im Falle einer Nichteinigkeit der Betriebsparteien der Arbeitgeber einen ersten, nicht formellen Kontakt mit dem betroffenen Mitarbeiter aufnehme.
Rz. 510
Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass die Übermittlung personenbezogener Daten nach der Betriebsvereinbarung von einer Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers abhängig sei. Dies folge sowohl aus den Bestimmungen des BDSG als auch aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das BAG ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Zur Begründung führt es an, dass der Betriebsrat lediglich die Herausgabe von Eckdaten wie Namen und Fehlzeiten der entsprechenden Arbeitnehmer fordere. Sensible Gesundheitsdaten wie etwa die Art und Schwere der Erkrankung oder Information darüber, ob eine Fortsetzungserkrankung oder mehrere voneinander unabhängige Erkrankungen vorliegen, würden nicht gefordert. Eine anonymisierte Darstellung der Mitarbeiterdaten lasse lediglich die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer erkennen; es sei in diesem Fall aber eine Bekanntgabe auch der Namen erforderlich. Auch die Tatsache, dass es sich um besondere personenbezogene Daten handele, stehe der Übermittlung nicht entgegen, weil der Betriebsrat diese Daten zur Durchführung einer gesetzlichen Aufgabe verwendet. Selbiges gelte hinsichtlich des aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses stehe unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt und werde durch die entsprechenden Vorschriften der §§ 167 Abs. 2 S. 7 SGB IX und 80 Abs. 1, 2 BetrVG zulässigerweise eingeschränkt. Eine einschränkende Auslegung der entsprechenden Vorschrift der Betriebsvereinbarung sei deshalb nicht erforderlich. Insoweit überzeugt die Begründung des BAG, dass es nur so dem Betriebsrat möglich sei festzustellen, ob der Arbeitgeber den ihm obliegenden Verpflichtungen gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX nachkomme.
Mit dieser Entscheidung weicht das BAG aber von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ab. Damit verbunden sind erhebliche Auswirkungen für die Arbeitgeber, denn diese können sich zukünftig im Rahmen der Überprüfung durch den Betriebsrat nicht mehr auf das Datenschutzrecht berufen. Im Hinblick darauf, dass das Auskunftsrecht des Betriebsrats auf die Nennung der Namen der Arbeitnehmer und der Dauer der Fehlzeiten für die Feststellung der Auslösung einer Handlungspflicht nach § 167 Abs. 2 SGB IX ausreichend ist, beschränkt sich der Anspruch des Betriebsrats auf diese Angaben. Ein Anspruch des Betriebsrats auf Informationen zur Schwere der Erkrankung, zu einer daraus abzuleitenden Prognose weiterer Informationen, besteht dagegen außerhalb der Durchführung des BEM nicht.