Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 771
Das Erheben von Bedenken ist vom Widerspruch des BR zu unterscheiden und diesem nicht gleichzusetzen. Macht der BR Bedenken geltend, bevor die Wochenfrist abgeschlossen ist, endet damit auch das Anhörungsverfahren. Einen Katalog von Gründen, derentwegen Bedenken angemeldet werden können, gibt es nicht, so dass Bedenken auf jedweden Grund gestützt werden können, etwa die soziale Härte einer beabsichtigten Kündigung oder die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern. Angemeldete Bedenken begründen allerdings nicht den betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch des § 102 Abs. 5 BetrVG und stellen auch keinen Widerspruch i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG dar. Auch beim Anmelden von Bedenken ist aber die Wochenfrist und die Schriftform zu wahren; nicht frist- oder formgerecht angemeldete Bedenken begründen die Zustimmungsfiktion des § 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG. Wenn der BR vor Abschluss der Wochenfrist lediglich Bedenken angemeldet hat und diese Erklärung als abschließende Äußerung zu verstehen war, kann er danach keinen Widerspruch mehr erheben – selbst wenn er dabei die Wochenfrist wahrt.
Rz. 772
Der Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung geht über das bloße Anmelden von Bedenken hinaus. Letzteres ist in der Regel auch nicht als Widerspruch auszulegen; etwas anderes gilt nur, wenn die Kündigung in den Bedenken des BR als rechtswidrig bezeichnet oder Widerspruchsgründe i.S.d. § 102 Abs. 3 BetrVG genannt werden. Andererseits ist es aber nicht zwingend erforderlich, dass der BR den Begriff "Widerspruch" verwendet, sondern er kann auch andere Wortwendungen wählen, sofern diese unmissverständlich die Ablehnung der Kündigung zum Ausdruck bringen. Die Verwendung der im Gesetz vorgegebenen Begriffe ist aber sowohl aus Sicht des BR, als auch im Interesse des Arbeitgebers und des zu kündigenden Arbeitnehmers zu empfehlen.
Rz. 773
Hinsichtlich einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung fehlt es an einer gesetzlichen Regelung des Widerspruchsrechts; der BR kann aber dennoch auch der außerordentlichen Kündigung widersprechen, denn der Widerspruch ist nichts anderes als eine qualifizierte Form der Anmeldung von Bedenken. Letztere hat der Gesetzgeber aber in § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG anerkannt. Allerdings sieht das Gesetz für den Fall des Widerspruchs gegen eine außerordentliche Kündigung keine Konsequenzen vor.
Rz. 774
Bei der ordentlichen Kündigung hingegen kommt dem Widerspruch ganz erhebliche rechtliche Bedeutung zu. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der BR seinen Widerspruch dem Arbeitgeber innerhalb der Wochenfrist mitteilt und schriftlich begründet. Die Widerspruchsbegründung darf sich nicht in der Wiederholung der abstrakten Widerspruchsgründe des § 102 Abs. 3 BetrVG oder im Verweis auf diese erschöpfen, sondern muss konkrete Tatsachen bezeichnen, auf die der BR seinen Widerspruch stützt. Die vorgebrachten Tatsachen müssen sodann einem der insoweit abschließenden Kataloggründe des § 102 Abs. 3 BetrVG zugeordnet werden können. Dabei kommt es für die Wirksamkeit des Widerspruchs nicht darauf an, ob der betreffende Widerspruchsgrund tatsächlich gegeben ist; es muss aufgrund der Ausführungen des BR aber möglich erscheinen, dass (ausreichende) Widerspruchsgründe vorliegen.
Rz. 775
Da es sich nicht um eine Willenserklärung des BR handelt, ist zur Fristwahrung nicht die Schriftform des § 126 BGB erforderlich, sondern es genügt der Widerspruch per Telefax, welches allerdings die Unterschrift des zur Abgabe der Erklärung berechtigten Person (also i.d.R. des BR-Vorsitzenden) tragen muss; eine E-Mail soll nicht ausreichend sein.