Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
a) Typischer Sachverhalt
Rz. 640
Das im Spezialschiffbau tätige Unternehmen L. hat sich nicht zuletzt aufgrund einiger Verbesserungsvorschläge von Mitarbeitern gut entwickelt. Die Geschäftsführung will auch weiterhin Innovationen durch die Belegschaft fördern. Der Betriebsrat will sicherstellen, dass dies auch in Zeiten einer etwaigen schlechteren Konjunktur so bleibt. Zudem will er gerechte und transparente Kriterien für die Vergütung von Verbesserungsvorschlägen schaffen. Beide Betriebsparteien sind daher an einer Umsetzung dieser Ziele durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung interessiert.
b) Rechtliche Grundlagen
aa) Allgemeines
Rz. 641
Das betriebliche Vorschlagswesen ist in § 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG geregelt und zählt daher zur erzwingbaren Mitbestimmung. Es gewinnt in der betrieblichen Praxis an Bedeutung. Im Jahre 2010 gingen ausweislich einer Befragung von 163 Unternehmen mit ca. 2,33 Mio. Arbeitnehmern ca. 1,23 Mio. Verbesserungsvorschläge ein (gegenüber ca. 213.000 im Jahre 1978), was zu Prämien von ca. 130 Mio. EUR (Prämiendurchschnitt 170 EUR) geführt haben soll. Im Jahre 2012 wurden 119 Mio. EUR ausgeschüttet bei durchschnittlich 74 EUR pro Prämie. Das Mitbestimmungsrecht dient der gerechten Bewertung der Vorschläge und damit jedenfalls mittelbar der Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer. Sie sollen durch ein betriebliches Vorschlagswesen zur Teilnahme an der Gestaltung und Entwicklung ihres Arbeitsplatzes motiviert werden. Prämien sind uneingeschränkt lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig.
Rz. 642
Unter einem Verbesserungsvorschlag ist jede Anregung einzelner oder mehrerer Arbeitnehmer zu verstehen, welche nicht zum Bereich des vertraglich geschuldeten Leistungsumfanges des Vorschlagenden zählt, und zur Verbesserung gegenüber dem Ist-Zustand führt, wobei unerheblich ist, ob es sich insoweit um den kaufmännischen, technischen oder den Bereich der Zusammenarbeit untereinander handelt. In der Praxis ist insbesondere die Abgrenzung zu dem vertraglich geschuldeten Bereich problematisch. Ob sich der Verbesserungsvorschlag bloß auf den eigenen Aufgabenbereich des Arbeitnehmers erstreckt, dürfte unerheblich sein – entscheidend ist, ob eine arbeitsvertragliche Verpflichtung besteht, diejenigen Dinge zu entwickeln, die Gegenstand eines Verbesserungsvorschlages sind. Maßgeblich ist im Zweifel der Wortlaut der Prämienregelung.
Rz. 643
Erfindungen, die patent- oder gebrauchsmusterfähig sind, fallen nicht in den Regelungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG. Für sie gilt das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen. Da es abschließende Regelungen enthält, ist in dessen Anwendungsbereich kein Raum für eine Mitbestimmung des Betriebsrats. Eine Besonderheit gilt für technische Verbesserungsvorschläge (§ 3 ArbnErfG). Sind sie qualifiziert i.S.d. § 20 Abs. 1 ArbnErfG, besteht ein gesetzlicher Vergütungsanspruch, der wiederum das Mitbestimmungsrecht ausschließt, jedoch freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG ermöglicht. Für einfache technische Verbesserungsvorschläge lässt § 20 Abs. 2 ArbnErfG eine Regelung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zu, so dass bei Fehlen einer abschließenden tarifvertraglichen Regelung ein Mitbestimmungsrecht in Betracht kommt. Für Verbesserungsvorschläge außerhalb des technischen Bereiches sieht das ArbnErfG keine Einschränkungen oder Sonderregelungen vor.
bb) Umfang der Mitbestimmung
Rz. 644
Dem Betriebsrat steht – anders als iRd BPersVG – ein Initiativrecht bei Einführung eines betrieblichen Vorschlagswesens zu, wobei kein Vorprüfungsrecht existiert, ob überhaupt ein Bedürfnis für die Schaffung eines betrieblichen Vorschlagswesens gegeben ist, sondern dies ggf. die Einigungsstelle im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung berücksichtigen muss, und auch die mit dem Initiativrecht verbundenen Folgekosten auf Arbe...