Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 1157
Ob es sich um einen Anspruch vor oder nach der Insolvenzeröffnung handelt, bestimmt sich nicht nach der Fälligkeit, sondern nach dem Entstehen der Forderung.
aa) Entgeltschutz in der Insolvenz
Rz. 1158
Die ehemals in der KO geregelte Privilegierung der Arbeitnehmeransprüche auf rückständiges Arbeitsentgelt aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung gilt nicht mehr. Gemäß §§ 38, 108 Abs. 2 InsO sind sämtliche rückständigen Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer, seien es Geld- oder Naturalleistungen, nur noch einfache Insolvenzforderungen. Die Ansprüche der Sozialversicherungsträger sind gleichfalls nicht bevorrechtigt, ebenso wenig die Lohnsteuerforderungen. Nach § 39 InsO sind lediglich bestimmte Nebenforderungen wie z.B. Zinsansprüche und Kosten wegen der Teilnahme am Insolvenzverfahren "nachrangig". Wertguthaben auf Arbeitszeitkonten sind den Zeiträumen der tatsächlichen Arbeitsleistung zuzuordnen. Um in der Insolvenz Nachteile des Arbeitnehmers zu vermeiden, hat der Gesetzgeber in den Vorschriften der §§ 7b ff. SGB IV die insolvenzrechtliche Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen umgesetzt. Die Vergütungsansprüche sind damit, soweit sie nicht wegen beantragten Insolvenzgeldes auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, wie jede andere Insolvenzforderung vom Arbeitnehmer zur Insolvenztabelle anzumelden. Voraussetzung für die Anmeldung zur Tabelle ist, dass der Vergütungsanspruch zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht aufgrund tariflicher oder vertraglicher Ausschlussfristen verfallen ist. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten tarifvertragliche Verfallsklauseln für die Insolvenzforderungen der Arbeitnehmer nicht mehr. Die Anmeldung als Insolvenzforderung hemmt zudem eine laufende Verjährungsfrist (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB).
Hinweis
In der InsO gibt es keine bevorrechtigten Gläubigergruppen. Weder die Arbeitnehmeransprüche vor Eröffnung der Insolvenz noch die Ansprüche der Sozialversicherungsträger oder Lohnsteuerforderungen sind privilegiert.
bb) Durchsetzung von Insolvenzforderungen
Rz. 1159
Der Arbeitnehmer kann seine Insolvenzforderungen als Insolvenzgläubiger nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren durchsetzen (§ 87 InsO). Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens nach § 89 Abs. 1 InsO unzulässig. Der Arbeitnehmer hat seine Insolvenzforderungen, ob streitig oder unstreitig, schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 174 Abs. 1 InsO), bei Arbeitsentgeltansprüchen mit dem Bruttobetrag und bei anderen Forderungen mit dem Wert, der für die Zeit der Insolvenzeröffnung geschätzt werden kann. Auch bereits rechtskräftig titulierte Forderungen sind anzumelden. Bei übergegangenen Forderungen, wie z.B. dem Insolvenzgeld, ist nicht der Arbeitnehmer, sondern die Bundesagentur für Arbeit anmeldebefugt. Um eine sachliche Prüfung zu ermöglichen, sollen der Anmeldung Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, wie z.B. die Gehaltsabrechnung, beigefügt werden.
Rz. 1160
Hinweis
Die Anmeldung von Insolvenzforderungen muss schriftlich beim Insolvenzverwalter erfolgen unter Beifügung aller Unterlagen, aus denen sich die Forderung ergibt.
Ein Formular zur Forderungsanmeldung für Insolvenzverfahren ist im Internet unter https://www.justiz.nrw//BS/formulare/insolvenz/forderungsanmeldung1/index.php zu finden und das dazugehörige Merkblatt zur Forderungsanmeldung (Stand 01/2021) unter https://www.justiz.nrw//BS/formulare/insolvenz/forderungsanmeldung1/Merkblatt-zur-Forderungsanmeldung-im-Insolvenzverfahren-_01_07_2014_1.pdf.
Rz. 1161
Im Prüfungstermin wird jede zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung nach Betrag und Rang geprüft und bei nicht erhobe...