Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
aa) Rechtliche Grundlagen
Rz. 336
Der Einsatz von modernen EDV-Systemen in den Betrieben wirft eine Vielzahl von Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und den Schutz von Arbeitnehmerdaten.
Rz. 337
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats werden nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ausgelöst, wenn der Einsatz der EDV-Systeme die Möglichkeit einer Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer bietet. Dies ist bei den modernen EDV-Systemen regelmäßig der Fall, da sie Daten der Arbeitnehmer erfassen oder verarbeiten können und damit zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer objektiv geeignet sind. Für die Annahme eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kommt es auf die Zweckbestimmung des entsprechenden Systems nicht an, vielmehr reicht dessen tatsächliche Eignung zur Erfassung von Verhaltens- oder Leistungsdaten. Der Betriebsrat hat also bei der Einführung und Nutzung von EDV-Systemen im Betrieb in der Regel ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Sinn dieser Vorschrift ist es, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Die gleichberechtigte Mitbestimmung des Betriebsrats wird beachtet, indem der Arbeitgeber mit ihm eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz der technischen Einrichtungen abschließt.
Rz. 338
Im Hinblick auf den Schutz von Arbeitnehmerdaten legt § 75 Abs. 2 BetrVG dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat die Verpflichtung auf, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen. Dieser Schutz wird zugleich durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet und umfasst das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, d.h. die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die nähere Regelung dieses Rechts ergibt sich insbesondere aus der EU-DSGVO und dem BDSG.
Rz. 339
Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer durch Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten seitens des Arbeitgebers ist nach Art. 6 Abs. 1 EU-DSGVO nur rechtmäßig, wenn die Verarbeitung etwa zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung oder des Arbeitsvertrags erforderlich ist oder der Arbeitnehmer eingewilligt hat.
Rz. 340
Die Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer muss den Anforderungen des Art. 7 EU-DSGVO genügen, d.h. auf der Grundlage einer ausreichenden Information und freiwillig erteilt werden. Die Einholung der Einwilligung ist beim Abschluss des Arbeitsvertrages für den Arbeitgeber ohne größere Schwierigkeiten möglich. Dagegen wird es in bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen und bei einer Vielzahl von betroffenen Arbeitnehmern nur mit größerem Aufwand für den Arbeitgeber möglich sein, die Einwilligung sämtlicher Mitarbeiter einzuholen. Darüber hinaus kann die Einwilligung gemäß Art. 7 Abs. 3 S. 1 EU-DSGVO jederzeit widerrufen werden, so dass der Arbeitgeber spätestens dann auf eine Erlaubnisnorm angewiesen wäre.
Rz. 341
Eine denkbare Erlaubnisnorm im Arbeitsverhältnis stellt § 26 BDSG dar. Der deutsche Gesetzgeber hat versucht, die durch Art. 88 EU-DSGVO den Mitgliedstaaten gebotene Möglichkeit, für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext durch Rechtsvorschriften spezifischere Vorschriften vorzusehen, zu nutzen und in dieser Vorschrift die Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses näher zu regeln.
Nach § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist.
Allerdings wird aufgrund der neueren Rechtsprechung des EuGH § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG im Hinblick auf die Zulässigkeit der Datenverarbeitung zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses als nicht anwendbar angesehen, weil diese Norm des deutschen Beschäftigtendatenschutzes keine spezifischere Vorschriften i.S.d. Art. 88 EU-DSGVO enthält, sondern lediglich die Bestimmung der EU-DSGVO wiederholt. Für die Praxis bedeutet dies, dass die entsprechende Datenverarbeitung zwar nicht mehr auf § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG gestützt werden kann, sie aber dennoch zulässig bleibt, sofern die Datenverarbeitung für die Vertragserfüllung erforderlich ist. In diesem Fall dient Art. 6 Abs. 1 lit. b) EU-DSGVO als Erlaubnisnorm.
Gemäß Art. 88 EU-DSGVO können die Mitgliedstaaten für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext auch durch Kollektivvereinbarungen spezifischere Vors...