Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 952
Die Beschreibung der geplanten unternehmerischen Maßnahme – also der Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG – und ihre Durchführung ist der Kern des Interessenausgleichs und sein wesentlicher Inhalt. Diese Beschreibungen stellen die Einigung der Betriebspartner über das "Ob" und "Wie" der Betriebsänderung dar. Dabei kann Gegenstand eines Interessenausgleichs nur die geplante Betriebsänderung in zeitlicher qualitativer oder quantitativer Hinsicht sein, also z.B. der Entlassungstermin bei einer Betriebsschließung oder Kündigungsverbote. Zur Durchführung der Maßnahme gehört häufig auch die Vermeidung von Nachteilen für die Belegschaft, indem sämtliche Instrumente zur Reduzierung des Personalbestandes ohne Ausspruch von Kündigungen genutzt und im Interessenausgleich festgehalten werden. Wird Qualifizierungsbedarf von Mitarbeitergruppen festgestellt, kann der Interessenausgleich auch Regelungen zu Qualifizierungsmaßnahmen enthalten. In Zeiten immer rascherer Umstrukturierungsprozesse und Globalisierung gewinnt der Interessenausgleich an Bedeutung, weil Sozialpläne häufig den Verlust des Arbeitsplatzes nicht mehr ausgleichen können. Gefragt sind daher Lösungen in einem Interessenausgleich, die nach Möglichkeit bereits den Eintritt erheblicher Nachteile für die Arbeitnehmer vermeiden, ohne die erforderlichen Rationalisierungs- und Modernisierungsprozesse in Betrieb und Unternehmen zu verhindern.
Rz. 953
Häufig sind die zu regelnden Materien in diesem Zusammenhang zu komplex, um sie im Interessenausgleich auszuführen. Üblich ist es dann, im Interessenausgleich auf Anlagen zu verweisen und diese Anlagen beizufügen (z.B. Schließungsplan, Zeitplan für die Umsetzung einer Betriebsverlagerung, sonstige Pläne, Konzepte, Mitarbeiterlisten bei einem Personalabbau in Wellen usw.). Es gibt aber auch einfache, kurze Interessenausgleiche. Letztlich bestimmen die Betriebsparteien, in welcher Tiefe sie bestimmte Regelungen treffen wollen.
Rz. 954
Es lohnt sich, auf die Formulierung des Interessenausgleichs Sorgfalt zu verwenden. Denn da er sich mit der "unternehmerischen Maßnahme an sich" beschäftigt, ist er die Grundlage für die Begründung von betriebsbedingten Kündigungen, Änderungskündigungen und Versetzungen. Dass die Formulierungen im Interessenausgleich dabei von den Gerichten sehr ernst genommen werden, zeigt eine Entscheidung des BAG: Das BAG folgerte aus den Regelungen des Interessenausgleichs, dass einem Arbeitnehmer vor einer Änderungskündigung ein Homeoffice Arbeitsplatz eingerichtet werden müsse. Denn dass solche Arbeitsplätze mit dem unternehmerischen Konzept grds. vereinbar wären, ergäbe sich aus dem Interessenausgleich, der ausdrücklich vorsah, dass den betroffenen Mitarbeitern auf deren Wunsch ein Homeoffice eingerichtet werde.