Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 305
Die Provisionsgewähr ist insbesondere im Vertrieb eine klassische, erfolgsbezogene Vergütungsform. Diese knüpft an den Wert des vom Mitarbeiter abgeschlossenen oder vermittelten Geschäfts oder Vertrags an. Denkbar ist auch die Bezugnahme auf eine bestimmte Stückzahl oder Menge des vom Mitarbeiter vermittelten Produkts, ebenso denkbar ist die Anknüpfung an einen bestimmten vermittelten Umsatz oder an in einem bestimmten Geschäftsbereich/Bezirk abgeschlossene Verträge. Vorteil dieser erfolgsbezogenen Vergütungsform ist, dass die Ermittlung des Verdienstes typischerweise durch einfach mathematische Operationen zuverlässig berechnet werden kann – dies sollte jedenfalls das Ziel sein.
Gesetzliche Vorgaben für die Gestaltung von Provisionsregelungen ergeben sich aus dem HGB. Soweit eine Provision zugesagt oder vereinbart wird, finden die §§ 87 ff. HGB bei allen Arbeitnehmern Anwendung, losgelöst davon, ob es sich um einen Handlungsgehilfen gem. § 65 HGB handelt. Es kommt nicht darauf an, ob die Provisionszusage ihre Grundlage auf arbeitsvertraglicher oder betriebsverfassungsrechtlicher Grundlage findet – der Anspruch ist in jedem Fall im Sinne des § 65 HGB "bedungen" (durch Vereinbarung begründet) und der Anwendungsbereich der Verweisung eröffnet.
Entsprechend gelten die Vorschriften für Handelsvertreter zu den Voraussetzungen (§ 87 Abs. 1 und 3 HGB), der Fälligkeit (§ 87a HGB), Höhe (§ 86b HGB) und Abrechnung der Provisionen (§ 87c HGB) für betriebsverfassungsrechtliche Regelungen. Auch hier ist allerdings den rechtlichen Unterschieden zwischen einem selbstständigen Dienstverpflichteten und einem Arbeitnehmer angemessen Rechnung zu tragen. Ohne entsprechende Vereinbarung finden die für selbstständige Handelsvertreter verbindlichen Vorgaben zur Verfügungstellung von Unterlagen und Mitteilungspflichten (§ 86a HGB), zum Bezirksschutz (§ 87 Abs. 2 HGB), zur Inkassoprovision (§ 87 Abs. 4 HGB), zur Verjährung (§ 88 HGB) und zum Ausgleichsanspruch nach Vertragsbeendigung (§ 89a HGB) keine Anwendung.
Von der klassischen Provision zu unterscheiden ist eine allgemeine – d.h. losgelöst von der individuellen Vermittlungstätigkeit des Mitarbeiters – etwa an den Unternehmenserfolg anknüpfende variable Vergütung wie zum Beispiel eine rein unternehmensbezogene "Umsatzprovision" (dazu unten, siehe Rdn 317 ff.).
Rz. 306
Zwar ist denkbar, die Vergütung eines Mitarbeiters allein auf Provisionsbasis zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung kann aber nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sein, insbesondere, wenn es diesem nicht möglich ist, ein ausreichendes Einkommen zu erzielen und ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht. Dies ist der Fall, wenn die Vergütung nicht einmal zwei Drittel des Tariflohns bzw. der üblichen Vergütung für diese Tätigkeit im Wirtschaftsgebiet erreicht. Jedenfalls muss der Mindestlohn gemäß § 1 MiLoG erreicht werden. Provisionen erfüllen den Mindestlohnanspruch, soweit sie gemäß § 2 MiLoG rechtzeitig abgerechnet werden, quartalsweise Abrechnungen sind jedenfalls im Abrechnungsmonat mindestlohnwirksam.
Grundsätzlich bleibt es dem Arbeitgeber zwar bis zur Grenze der Willkür unbenommen, auch solche Organisationsentscheidungen umzusetzen, die zu einer Reduzierung der Provisionsansprüche des Arbeitnehmers führen; eine Benachteiligung bei der Zuteilung von Aufträgen darf jedoch nicht erfolgen.
Rz. 307
Der Betriebsrat hat bei Provisionsregelungen jedenfalls ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG; hingegen erfüllen Provisionen in der Regel nicht den Tatbestand der Leistungsentlohnung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG, da es an der Verknüpfung mit einer Bezugsleistung fehlt. Mitbestimmungspflichtig sind gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG das Verhältnis der Provision zum Gehaltsfixum sowie das Verhältnis der Provisionen zueinander und ihre Bezugsgröße (linear, progressiv oder degressiv) sowie die Staffelung der Provisionssätze. Mitbestimmungspflichtig ist das Verfahren zur Ermittlung des Bestehens (oder Nichtbestehens) eines Provisionsanspruches und wie die entsprechenden Daten erhoben werden. Die Bestimmung des Dotierungsrahmens oder eines bestimmten Geldbetrages je Provisionspunkt ist hingegen mitbestimmungsfrei. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich nicht auf die Einteilung der Verkaufsbezirke. Die betrieblichen Regelungen sind im Einzelfall mit etwaig bestehenden tariflichen Regelungen in Einklang zu bringen.