Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 307
Die Provisionsgewähr ist insbesondere im Vertrieb eine klassische, erfolgsbezogene Vergütungsform. Diese knüpft an den Wert des vom Mitarbeiter abgeschlossenen oder vermittelten Geschäfts oder Vertrags an. Denkbar ist auch die Bezugnahme auf eine bestimmte Stückzahl oder Menge des vermittelten Produkts, ebenso denkbar ist die Anknüpfung an einen bestimmten vermittelten Umsatz oder an in einem bestimmten Geschäftsbereich/Bezirk abgeschlossene Verträge. Vorteil dieser Vergütungsform ist, dass die Ermittlung des Verdienstes zuverlässig berechnet werden kann – dies sollte jedenfalls das Ziel sein.
Gesetzliche Vorgaben ergeben sich aus dem HGB. Soweit eine Provision zugesagt oder vereinbart wird, finden die §§ 87 Abs. 1 u. 3, 87a–87c HGB auch bei Arbeitnehmern Anwendung, losgelöst davon, ob es sich um einen Handlungsgehilfen gem. § 65 HGB handelt. Es kommt nicht darauf an, ob die Provisionszusage auf arbeitsvertraglicher oder betriebsverfassungsrechtlicher Grundlage beruht – der Anspruch ist in jedem Fall im Sinne des § 65 HGB "bedungen" (= durch Vereinbarung begründet).
Entsprechend gelten die Vorschriften für Handelsvertreter zu den Voraussetzungen (§ 87 Abs. 1 und 3 HGB), der Fälligkeit (§ 87a HGB), Höhe (§ 86b HGB) und Abrechnung der Provisionen (§ 87c HGB). Allerdings ist den rechtlichen Unterschieden zwischen einem selbstständigen Dienstverpflichteten und einem Arbeitnehmer angemessen Rechnung zu tragen. Ohne entsprechende Vereinbarung finden die für selbstständige Handelsvertreter verbindlichen Vorgaben zur Verfügungstellung von Unterlagen und Mitteilungspflichten (§ 86a HGB), zum Bezirksschutz (§ 87 Abs. 2 HGB), zur Inkassoprovision (§ 87 Abs. 4 HGB), zur Verjährung (§ 88 HGB) und zum Ausgleichsanspruch nach Vertragsbeendigung (§ 89a HGB) keine Anwendung.
Rz. 308
Zwar ist denkbar, die Vergütung eines Mitarbeiters allein auf Provisionsbasis zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung kann aber nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sein, insbesondere, wenn es dem Mitarbeiter nicht möglich ist, ein ausreichendes Einkommen zu erzielen und ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht. Dies ist der Fall, wenn die Vergütung nicht einmal zwei Drittel des (üblichen) Tariflohns bzw. der üblichen Vergütung für diese Tätigkeit im Wirtschaftsgebiet erreicht. Jedenfalls muss der Mindestlohn gemäß § 1 MiLoG erreicht werden, ebenso – bei Tarifbindung – mindestens das Tarifgehalt. Provisionen finden für den Mindestlohnanspruch Berücksichtigung, soweit sie gemäß § 2 MiLoG rechtzeitig abgerechnet werden – quartalsweise Abrechnungen sind im Abrechnungsmonat mindestlohnwirksam.
Rz. 309
Der Betriebsrat hat bei Provisionsregelungen ein zwingendes Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG; hingegen erfüllen Provisionen in der Regel nicht den Tatbestand der Leistungsentlohnung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG, da es an der Verknüpfung mit einer Bezugsleistung fehlt. Denn die Provision ist grundsätzlich nicht vom Umfang der Tätigkeit abhängig, sondern allein vom erzielten Erfolg (insbesondere dem Vertragsabschluss).
Mitbestimmungspflichtig sind das Verhältnis der Provision zum Gehaltsfixum sowie das Verhältnis der Provisionen zueinander und ihre Bezugsgröße (linear, progressiv oder degressiv) sowie die Staffelung der Provisionssätze. Der Mitbestimmung unterliegt auch das Verfahren zur Ermittlung des Bestehens (oder Nichtbestehens) eines Provisionsanspruchs und die Ausgestaltung, wie die entsprechenden Daten erhoben werden. Die Bestimmung des Dotierungsrahmens sowie die Festlegung eines Geldbetrags je Provisionspunkt ist hingegen mitbestimmungsfrei. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich nicht auf die Einteilung der Verkaufsbezirke. Diese kann der Arbeitgeber (bis zur Grenze der Willkür) umsetzen, auch wenn dies zu einer Reduzierung der Provisionsansprüche des Arbeitnehmers führt; eine Benachteiligung bei der Zuteilung von Aufträgen darf jedoch nicht erfolgen. Eine Änderung bzw. neue Zuweisung von Verkaufsbezirken kann jedoch eine Versetzung nach § 95 Abs. 3 BetrVG darstellen, sodass der Betriebsrat nach §§ 99 ff. BetrVG zu beteiligen ist.
Betriebliche Regelungen (wie auch etwaige einzelvertragliche Umsetzungen) sind im Einzelfall mit etwaig bestehenden tariflichen Regelungen in Einklang zu bringen.