Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
aa) Einschränkung des Kündigungsschutzes
Rz. 1124
Die Vorschrift des § 613a BGB gilt grundsätzlich auch in der Insolvenz. Damit tritt nach Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift der Erwerber bei einem (Teil-)Betriebsübergang in die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen (Teil-)Betriebsüberganges unwirksam. Ein Betriebsübergang liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Die Fortführung des Betriebes durch den Insolvenzverwalter selbst stellt keinen Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB dar.
Rz. 1125
Die Kündigungsschutzregelung des § 613a Abs. 4 BGB gilt in der Insolvenz jedoch nur eingeschränkt. Entsprechend ist gemäß der Rechtsprechung des BAG eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter nach einem Sanierungskonzept des Erwerbers, aber auch nach einem Sanierungskonzept des Insolvenzverwalters selbst möglich. Zusätzlich gelten die Besonderheiten der InsO, so z.B. die Regelung des § 128 InsO. Häufig stehen der Personalbestand des Betriebes bzw. die Klagmöglichkeit der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung einer aussichtsreichen Betriebsveräußerung durch den Insolvenzverwalter entgegen. Um dieses potentielle Hindernis abzuschwächen, hat der Gesetzgeber durch die Regelungen in §§ 125–128 InsO die Stellung des Betriebserwerbers gegenüber der alten Rechtslage in der KO verbessert, ohne aber zu sehr in den Kündigungsschutz einzugreifen.
Rz. 1126
So ermöglicht § 128 Abs. 1 InsO, dass der Insolvenzverwalter bereits vor dem Betriebsübergang Kündigungen ausspricht wegen einer geplanten Betriebsänderung, die erst nach der Betriebsveräußerung vom späteren Erwerber durchgeführt werden soll. Die Anwendung der §§ 125–127 InsO wird damit, hinsichtlich des Interessenausgleiches oder des Feststellungsantrages, auf die zeitlich nach dem Betriebsübergang liegende Betriebsänderung erstreckt. Ferner erstreckt § 128 Abs. 2 InsO die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 S. 1 InsO darauf, dass eine vom Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung nicht wegen Betriebsübergangs erfolgt. Das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ist damit gelockert. Der Arbeitnehmer trägt die volle Darlegungs- und Beweislast, dass die Kündigung nicht auf anderen Gründen beruht.
bb) Haftungsbeschränkung des Betriebserwerbers
Rz. 1127
Neben der Einschränkung des Kündigungsschutzes beim Betriebsübergang in der Insolvenz gilt die Haftungsnachfolge des Erwerbers für die vor dem Betriebsübergang entstandenen Verpflichtungen nach § 613a Abs. 2 BGB nur eingeschränkt (teleologische Reduktion). Nach der Rechtsprechung des BAG haftet der Betriebserwerber nicht für solche Ansprüche, die bereits vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind. Um nicht gegen den insolvenzrechtlichen Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu verstoßen, haftet der Betriebserwerber uneingeschränkt nur für die Ansprüche, die nach der Insolvenzeröffnung bis zum Betriebsübergang entstanden sind. Bei Ansprüchen auf Jahressonderleistungen, die nach dem Betriebsübergang fällig werden, ist zu differenzieren. Ist die Leistung nicht arbeitsleistungsbezogen, en...