Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
aa) Typischer Sachverhalt
Rz. 352
Die U-GmbH beschäftigt 350 Mitarbeiter. Jeder Mitarbeiter verfügt über eine dienstliche Telefonnummer. Diese Telefonnummer kann man sowohl über das Festnetztelefon am Arbeitsplatz nutzen als auch von zuhause über eine Software. Mittels dieser Software kann man, wie am physischen Telefon, Anrufe über die dem jeweiligen Mitarbeiter zugeordnete Nummer tätigen und entgegennehmen. Die 30 Außendienstmitarbeiter verfügen zusätzlich über ein Mobiltelefon. Die Mobiltelefone dürfen laut Arbeitsvertrag – bei entsprechender Kostenübernahme durch den Arbeitnehmer – auch privat genutzt werden. In der Vergangenheit zogen unerlaubte Privattelefonate keinerlei Sanktionen durch den Arbeitgebers nach sich. Auch die Kostenübernahme durch die Außendienstmitarbeiter wurde nicht weiter kontrolliert.
Vor dem Arbeitsgericht sind nun zwei Kündigungsschutzverfahren wegen unerlaubter Nutzung des Telefons anhängig. In einem Fall hat ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitsplatz aus wiederholt während der Arbeitszeit und für längere Zeiträume ohne dienstliche Veranlassung seine Ehefrau angerufen. Im zweiten Fall wurden während mobiler Arbeit aus dem Ausland über das Diensthandy in erheblichem Maße Privattelefonate geführt, die weder von der Mobiltelefon-Flatrate des Arbeitgebers gedeckt waren noch als privat gekennzeichnet wurden. Die Kosten hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber dementsprechend auch nicht erstattet. Vor Gericht sollen die Einzelverbindungsnachweise als Beweis herangezogen werden. Beide Arbeitnehmer machen geltend, der Arbeitgeber habe sie unerlaubt überwacht.
Der Arbeitgeber beschließt daraufhin, mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, in der festgelegt werden soll, dass die private Nutzung bei Festnetztelefonen in geringem Umfang gestattet und bei Mobiltelefonen sowie über eine Software gegen Kostenübernahme erlaubt sein soll. Zusätzlich sollen auch mögliche Sanktionen seitens des Arbeitgebers bei Verstößen gegen die Betriebsvereinbarung dargelegt sowie die Kontrollmöglichkeiten geregelt werden.
bb) Rechtliche Grundlagen
(1) Allgemeines
Rz. 353
Betriebliche Telefonanlagen und zugehörige Softwareprogramme gehören in den meisten Berufsfeldern zur selbstverständlichen Grundausstattung des Arbeitnehmers. Ebenso verhält es sich oftmals mit der Zurverfügungstellung von Mobiltelefonen – vor allem im Dienstleistungssektor. Als integraler Bestandteil der Arbeitswelt 4.0 ermöglicht das Mobiltelefon sowie digitale Telefonsoftware dem Arbeitnehmer, zu jeder Zeit ortsungebunden wichtige Arbeitsschritte außerhalb des Bürogebäudes vorzunehmen. Es gehört dabei zum Selbstverständnis vieler Arbeitgeber, dass dem Arbeitnehmer auch die private Nutzung ermöglicht und gestattet wird.
Was in der modernen Arbeitswelt zur Selbstverständlichkeit geworden ist, stellt sich aus Sicht des Arbeitgebers nach wie vor als risikobehaftet dar. Trotz weit verbreiteter Flatrates birgt die Privatnutzung eines Mobiltelefons ein unkalkulierbares Kostenrisiko bis hin zum Arbeitszeitbetrug, wenn die Mitarbeiter während der Arbeitszeit unerlaubt oder übermäßig privat telefonieren.
Rz. 354
Für den Arbeitgeber stellt sich zudem das Problem, dass er vielleicht gerne die Privatnutzung in einem gewissen Rahmen gestatten möchte, jedoch Sorge vor den rechtlichen Folgen hat. Gestattet der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern die Privatnutzung der von ihm zur Verfügung gestellten Telekommunikationsmöglichkeiten, so wird er zumindest nach Ansicht der Aufsichtsbehörden zum Telekommunikationsdienstanbieter (s. auch Rdn 355) und unterfällt dem Fernmeldegeheimnis nach § 3 TDDDG (früher § 88 TKG). Zwar wird diese Einordnung von Literatur und Gerichten überwiegend abgelehnt, bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung zur neuen Rechtslage unter dem TDDDG sollte die Regelung aber berücksichtigt werden. Weitere rechtliche Hürden ergeben sich aus den Vorschriften des Beschäftigungsdatenschutzes sowie durch das Betriebsverfassungsrecht. Die Einführung solcher zur Überwachung geeigneten Anwendungen im Unternehmen unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats. Hieraus erwächst das Bedürfnis nach validen betrieblichen Regelungen für technische Einrichtungen.
(2) Inhaltliche Kontrolle
Rz. 355
Die Kontrollmöglichkeiten eines Arbeitgebers umfassen die Kontrolle der Telefondaten einerseits sowie die (Gesprächs-)Inhaltskontrolle.
Inhaltskontrolle bedeutet, dass der Arbeitgeber Kenntnis vom konkreten Gesprächsinhalt der Arbeitnehmer erlangt. Diese Kontrolle kann zum einen durch Mithören in Echtzeit erfolgen. Zum anderen ist an das Aufzeichnen und Speichern von Gesprächsinhalten, darauf aufbauend etwa die Erstellung von Verwendungsberichten, Nutzungsanalysen oder Ereignisprotokollen zu denken. Der zentrale Administrator z.B. ist in der Lage, bei allen Nutzern in den einzelnen Betrieben nachzuverfolgen, zu welchen Zeiten sie wie lange in Gesprächen sind oder waren. Er hat zudem meist die Möglichkeit, auf sämtliche Benutzerdaten aus den Anwendungen zuzugreifen. Inhaltliche Kontrollen begründen immer einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsre...