Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 408
Gestattet der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die private Internet- und E-Mail-Nutzung, so erbringt er einem Dritten gegenüber geschäftsmäßig einen Telekommunikationsdienst und wird – nach überwiegender Auffassung – gegenüber diesem zum Telekommunikationsdienstanbieter (§ 3 Nr. 6 und Nr. 24 TKG). Denn der Arbeitnehmer ist in diesem Fall Privatperson und damit Dritter i.S.d. TKG, sodass dessen Regelungen Anwendung finden. Dies gilt sowohl bei der entgeltpflichtigen als auch bei der kostenlosen Gestattung der privaten Internetnutzung.
Als Telekommunikationsdienstanbieter hat der Arbeitgeber bei der gestatteten privaten E-Mail- und Internetnutzung damit zunächst das Fernmelde- bzw. Telekommunikationsgeheimnis nach § 88 TKG zu wahren, das durch § 206 StGB strafrechtlich geschützt wird. Weiterhin sind die datenschutzrechtlichen Vorschriften des TKG zu berücksichtigen.
Rz. 409
Bei der privaten Nutzung des Internets wird der Arbeitgeber auch zum Telemediendienstanbieter. Neben den Regelungen des TKG unterfällt die Frage der Kontrolle privater Internet- und E-Mail-Nutzung damit auch dem TMG.
(aa) Kontrolle von E-Mails
Rz. 410
Aufgrund der Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses scheidet eine inhaltliche Kontrolle in aller Regel aus. Dasselbe Ergebnis ergibt sich unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes bzw. des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung. Lediglich in Ausnahmefällen kann ein inhaltliches Kontrollrecht des Arbeitgebers bestehen, wenn z.B. der konkrete Verdacht auf Verrat von Geschäftsgeheimnissen oder Begehung einer Straftat vorliegt.
Rz. 411
Umstritten ist jedoch, ob und wie lange E-Mails bzw. die dazu gespeicherten Daten dem Fernmeldegeheimnis unterliegen. Das BVerfG hatte 2006 geurteilt, dass
Zitat
die nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Verbindungsdaten […] nicht durch Art. 10 Abs. 1 GG, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt [werden].
2009 wurde dieses Urteil in gewisser Weise revidiert; die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers seien am Grundrecht auf Gewährleistung des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG zu messen.
Diese divergierende Rechtsprechung hat zu erheblicher Unsicherheit in der Praxis geführt, auf welche Weise sich ein Arbeitgeber bei der Kontrolle von empfangenen E-Mails rechtmäßig verhalten könne. Diese Frage wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet: die Meinungen reichen vom nahezu völligen Ausschluss der Kontrolle bis zur Verneinung der Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs und der Beurteilung der Rechtmäßigkeit ausschließlich anhand der Regelungen des BDSG.
Die besseren Gründe sprechen wohl dafür, auch bereits empfangene E-Mails in den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses einzubeziehen. Dieses greift nur dann nicht ein, wenn der Arbeitnehmer von der eingehenden Mail tatsächlich Kenntnis genommen hat und einen Zugriff des Arbeitgebers auf diese Mail vollständig verhindern kann.
Das BVerfG hat im Jahr 2006 die Anwendung des Fernmeldegeheimnisses im Wesentlichen damit verneint, dass die spezifischen Gefahren des Kommunikationsvorgangs nach Beendigung der Übermittlung nicht mehr gegeben wären. Der Empfänger könne in seinem eigenen Herrschaftsbereich Schutzvorkehrungen gegen den ungewollten Datenzugriff treffen, deshalb seien die erleichterten Zugriffsmöglichkeiten Dritter nicht mehr gegeben. Außerdem könne ein Zugriff ohne Wissen des Kommunikationsteilnehmers nicht stattfinden und dieser könne selbst beeinflussen, ob vorhandene Daten dauerhaft gespeichert werden.
Dem kann für das Arbeitsverhältnis nicht einschränkungslos gefolgt werden. Denn im Regelfall werden die E-Mails nicht nur auf dem PC des Arbeitnehmers, sondern insbesondere auch auf einem internen Server gespeichert, auf den der Arbeitgeber ebenfalls Zugriff hat. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer nur mit Hilfe einer Internetverbindung auf die E-Mails zugreifen kann. Diese Voraussetzung hat keine ...