Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 1140
Neben der Einschränkung des Kündigungsschutzes beim Betriebsübergang in der Insolvenz gilt die Haftungsnachfolge des Erwerbers für die vor dem Betriebsübergang entstandenen Verpflichtungen nach § 613a Abs. 2 BGB nur eingeschränkt (teleologische Reduktion). Nach der Rechtsprechung des BAG haftet der Betriebserwerber nicht für solche Ansprüche, die bereits vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind. Um nicht gegen den insolvenzrechtlichen Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu verstoßen, haftet der Betriebserwerber uneingeschränkt nur für die Ansprüche, die nach der Insolvenzeröffnung bis zum Betriebsübergang entstanden sind. Bei Ansprüchen auf Jahressonderleistungen, die nach dem Betriebsübergang fällig werden, ist zu differenzieren. Ist die Leistung nicht arbeitsleistungsbezogen, entsteht der Anspruch erst bei Fälligkeit und der Erwerber schuldet die volle Leistung. Bei Sozialplanansprüchen gilt die Haftungserleichterung für den Erwerber unabhängig davon, ob der Sozialplan vor oder nach der Insolvenzeröffnung abgeschlossen wurde. Der Urlaubsanspruch hingegen geht auch in der Insolvenz ohne Haftungsbeschränkung auf den Erwerber über. Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern in Altersteilzeit, die sich im Blockmodell in der Freistellungsphase befinden, gehen auf den Erwerber über. Dies gilt auch, wenn über das Vermögen des Veräußerers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Ansprüche auf Altersteilzeitvergütung, die auf Arbeitsleistungen vor der Insolvenzeröffnung beruhen, muss der Erwerber erfüllen, soweit diese nach dem Betriebsübergang fällig werden. Bei Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung schuldet der Erwerber wegen der Haftungserleichterung im späteren Versorgungsfall nicht die volle Leistung. Er schuldet nur den Teil der Leistung, den der Arbeitnehmer beginnend ab der Insolvenzeröffnung bei ihm erdient hat. Für die beim Gemeinschuldner erdienten unverfallbaren Anwartschaften haftet der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung (PSVaG) nach § 7 Abs. 2 BetrAVG. Anwartschaften, die bei der Insolvenzeröffnung noch verfallbar waren, sind per Gesetz weder über den Erwerber noch über den PSVaG abgesichert. Der Arbeitnehmer kann die wertmäßige Differenz als aufschiebend bedingte Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden. Zudem besteht nach neuer EuGH- und BAG-Rechtsprechung bei der Betriebsveräußerung im Insolvenzfall eine Mindestsicherung der betrieblichen Altersversorgung in Höhe der Hälfte der erworbenen Ansprüche; außerdem darf eine Kürzung der Leistung nicht zur Armutsgefährdung führen. Dem Arbeitnehmer steht insoweit ein unionsrechtlich geprägter direkter Anspruch gegen den PSVaG zu.
Rz. 1141
Die Haftungsbeschränkung nach § 613a Abs. 2 BGB kommt bei einem Betriebsübergang dann nicht zum Tragen, wenn die Insolvenzeröffnung mangels Masse unterblieben ist oder der Erwerber den Betrieb vor dem Eröffnungsbeschluss noch im Insolvenzeröffnungsverfahren übernimmt.