Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 369
Gestattet der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern die private Nutzung des Telefons, wird er nach Ansicht der Datenschutzbehörden, eines Teils der Literatur und wenigen Gerichten zum Telekommunikationsdienstanbieter (siehe auch Rdn 355). Die überwiegende Literatur und Rechtsprechung lehnt diese Einordnung richtigerweise ab. Der Arbeitgeber ist weder Anbieter von ganz oder teilweise geschäftsmäßig angebotenen Telekommunikationsdiensten i.S.d. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TDDDG i.V.m. § 3 Nr. 1, 61 TKG noch ist er Betreiber von Kommunikationsanlagen, mit denen geschäftsmäßig Kommunikationsdienste erbracht werden, vgl. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TDDDG i.V.m. § 3 Nr. 6, 60 TKG.
Die herrschende Meinung stützte sich vor Einführung des TTDSG auf historische, systematische und teleologische Erwägungen. Dieser Argumentation lässt sich auch unter der neuen Rechtslage folgen. In praktischer Hinsicht stößt schon die Unterscheidung von dienstlicher und privater Nutzung an Grenzen. Aus diesem Grund geht die Mehrzahl der Gerichtsentscheidungen davon aus, dass das Fernmeldegeheimnis im Arbeitsverhältnis keine Anwendung finden kann. Dies gilt zumindest dann, wenn es sich um private E-Mails handelt, die von den Mitarbeitern nicht direkt nach Eingang oder Versendung gelöscht wurden, sondern im Postfach gespeichert wurden. Die Rechtsprechung beruft sich außerdem auf die "Drittbezogenheit" der angebotenen Dienste. Weil diese im Verhältnis von Arbeitgeber zu Arbeitnehmer nicht vorliege, sei die Diensteanbietereigenschaft zu verneinen. Dieses Merkmal lässt sich auch unter der neuen Rechtslage, trotz Änderungen des Wortlauts der Begriffsbestimmungen im TKG n.F., als Ausschlusskriterium anführen. Die überwiegende Literatur lehnt die Anbietereigenschaft nach § 3 Abs. 2 S. 1 TDDDG wegen der Entgeltlosigkeit der Telekommunikation für die Beschäftigten ab.
Rz. 370
Unabhängig von den vorgenannten Diskussionen ist mit Einführung des TDDDG eine neue Problematik entstanden, die nach überwiegender Ansicht in der Literatur zu einem Ausschluss des einfachgesetzlichen Fernmeldegeheimnisses aus § 3 Abs. 2 S. 1 TDDDG im Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis führt. Demnach sei zu beachten, dass das TDDDG die Umsetzung der e-Privacy-Richtlinie (RL 2002/58/EG) darstellt. Ausweislich Art. 3 Abs. 1 RL 2002/58/EG beschränkt sich der Regelungsauftrag der Mitgliedstaaten auf die Verarbeitung von Daten in Verbindung mit der Bereitstellung von "öffentlich zugänglicher" elektronischer Kommunikationsdienste "in öffentlichen" Kommunikationsnetzen. Rein innerbetriebliche Kommunikation fällt dementsprechend nicht darunter. § 3 Abs. 2 S. 1 TDDDG stelle deshalb eine überschießende Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 RL 2002/58/EG dar. Überschießende Regelungen seien rein nationales Recht und deshalb nicht von der Öffnungsklausel des Art. 95 DS-GVO privilegiert. Insoweit bestehe Anwendungsvorrang für die DS-GVO. Dieser Vorrang werde auch nicht durch Art. 88 Abs. 1 und 2 DS-GVO aufgehoben, da § 3 Abs. 2 S. 1 TDDDG keine angemessene spezifischere Vorschrift darstellt. Durch die Beschränkung der Rechtsgrundlagen auf technisch notwendige Verarbeitungszwecke sowie die Einwilligung aller Kommunikationspartner werde wesentlich und unangemessen von Art. 6 Abs. 1 DS-GVO abgewichen.
Mit der Lösung dieses Problems wird unterschiedlich umgegangen. Die überwiegende Ansicht wendet aufgrund des unionsrechtlichen Vorrangs § 3 TDDDG nicht über die Bestimmung der RL 2002/58/EG hinaus an. Das einfachgesetzliche Fernmeldegeheimnis findet demzufolge im Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Den Arbeitnehmern kommt aber weiterhin der Schutz nach DS-GVO und BDSG zu. Eine andere Ansicht möchte, unter Berücksichtigung des Gesetzgeberwillens, § 3 TDDDG analog oder entsprechend über § 3 Abs. 3 S. 3 TDDDG anwenden.
Der Ausschluss des einfach-gesetzlichen Fernmeldegeheimnisses aufgrund der europarechtlichen Bedenken ist überzeugend, weshalb der überwiegenden Ansicht der Literatur hinsichtlich der Lösung zuzustimmen ist. Für eine analoge Anwendung des § 3 TDDDG, wie sie die andere Ansicht empfiehlt, fehlt es schon an der planwidrigen Regelungslücke. Bislang gibt es jedoch weder Gerichtsentscheidungen noch Äußerungen der Aufsichtsbehörden zu der Problematik. Insoweit bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.
Rz. 371
Bei der Frage, ob Kontrollen zulässig sind, ist bis zur Klärung dieses Problems das TDDDG zu beachten, insbesondere das Fernmeldegeheimnis, § 3 TDDDG. Dies gilt sowohl bei der entgeltpflichtigen als auch bei der kostenlosen Gestattung. Durch ein Verbot der Privatnutzung lassen sich Risiken weitgehend ausschließen. Dies ist geboten angesichts des Fehlens von höchstrichterlicher Rechtsprechung und einer klaren Einschätzung der Datenschutzaufsichtsbehörden.
Rz. 372
Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, so auch die Tatsache, ob jemand an einem Telekommun...