Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
(1) Allgemeines
Rz. 394
Die Nutzung elektronischer Informations- und Kommunikationsmittel wie Internet und E-Mail gehört in den meisten Unternehmen zum Arbeitsalltag. Vielfach werden zum Zeitpunkt der Einführung keine konkreten Regeln über den Umgang mit diesen Medien aufgestellt. Insbesondere die Fragen der Privatnutzung und der Nutzungsüberwachung, die in der Praxis vermehrt zu Problemen führen, bleiben meist unbeantwortet.
Rz. 395
Gerade weil sich durch die Vernetzung der Arbeitsplätze in Unternehmen und der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel auch Überwachungsmöglichkeiten des Arbeitgebers eröffnen, wird dieser Bereich von Betriebsräten thematisiert und der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung gefordert. Vielfach existieren aber auch bereits Regelungen – durchaus in Form von Betriebsvereinbarungen – die aufgrund der technischen Veränderungen sowie der rechtlichen Entwicklungen aktualisiert und angepasst werden müssen.
(2) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
(a) § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Rz. 396
Bei der betrieblichen Internet- und E-Mail-Nutzung eröffnet sich für den Arbeitgeber allein durch die Standardsoftware eine Vielzahl von Überwachungsmöglichkeiten. Sowohl bei der Einführung eines Internetzuganges als auch bei der Einrichtung eines E-Mail-Anschlusses besteht für den Betriebsrat grundsätzlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, sofern diese dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistungen der Arbeitnehmer zu überwachen.
Rz. 397
An den Begriff der technischen Einrichtung werden keine großen Anforderungen gestellt. Technische Einrichtungen sind alle optischen, mechanischen, akustischen oder elektronischen Geräte. Bei einem Internetzugang oder einer E-Mail-Adresse handelt es sich damit um eine technische Einrichtung. Auch bei der Einrichtung einer konzernweiten Facebook-Seite kann ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestehen. Nach Ansicht des BAG kann die Funktion "Besucher-Beiträge" eine Überwachung ermöglichen, wenn sie den Nutzern Postings zum Verhalten und der Leistung konzernzugehöriger Arbeitnehmer ermöglicht.
Rz. 398
Der Begriff der Überwachung ist ebenfalls sehr weitgehend. Unter den Begriff der Überwachung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG fällt sowohl die reine Erhebung von Daten, sobald sie mit Hilfe einer technischen Einrichtung ausgeführt wird, als auch die Phase der technischen Verarbeitung – auch wenn die Erhebung der Daten auf manuellem Wege erfolgt. Ebenso sind die Phasen der Speicherung oder der Auswertung unter den Begriff der Überwachung zu subsumieren.
Rz. 399
Weiterhin ist es, entgegen des Gesetzeswortlauts, ausreichend, dass die Einrichtung aufgrund ihrer Konstruktion oder technischen Ausstattung objektiv zur Überwachung geeignet ist. Auf eine konkrete Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an. Es ist deshalb auch irrelevant, ob die Überwachung Ziel der technischen Einrichtung oder nur möglicher Nebeneffekt ist. Ausreichend ist allein die objektive Möglichkeit. Das kann im Einzelfall zu Problemen bei der Einführung von Standardsoftware führen, weil der Betriebsrat diese blockiert. Trotz dieses Problems hält das BAG bislang an der weiten Auslegung fest (dazu näher Rdn 380).
Rz. 400
Gegenstand der Überwachung muss dabei das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers sein. Unter Leistung versteht man grundsätzlich die vom Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Arbeitspflicht erbrachte Arbeit. Verhalten ist jedes für das Arbeitsverhältnis relevante Tun oder Unterlassen. Begrifflich wird hier auch die Leistung miteingeschlossen, so dass es auf eine Differenzierung letztlich nicht ankommt.
Rz. 401
Das Mitbestimmungsrecht dient dem Persönlichkeitsschutz des einzelnen Arbeitnehmers vor den Gefahren anonymer Kontrolleinrichtungen. Es sind daher nur solche Überwachungsmaßnahmen maßgeblich, die einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden können.
Rz. 402
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht unabhängig von der Frage, ob der Internetzugang und die E-Mail-Adresse nur dienstlich oder auch privat genutzt werden dürfen.