Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
aa) Typischer Sachverhalt
Rz. 393
Beispiel
Die A-GmbH ist ein Unternehmen mit ca. 500 Arbeitnehmern, von denen sämtliche Arbeitnehmer, mit Ausnahme derjenigen in der Produktion, über einen Arbeitsplatzrechner/Laptop mit Internetzugang und einer persönlichen dienstlichen E-Mail-Adresse verfügen. Bei Einrichtung des Internetzuganges und der E-Mail-Adressen wurden keine Regelungen zur Frage der Nutzung getroffen. Im Laufe der Zeit haben sich vereinzelt Probleme mit übermäßiger Privatnutzung des Internetzuganges, Nutzung pornographischer Seiten aber auch der Verbreitung von Ketten-E-Mails etc. ergeben. Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens wegen einer verhaltensbedingten Kündigung aufgrund pornographischer Internetnutzung hält das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber vor, dass dieses – unstreitige – Verhalten des Arbeitnehmers eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung insbesondere aufgrund des Fehlens klarer Anweisungen, welche Art der Nutzung gestattet ist und welche nicht, nicht rechtfertige.
Der betriebliche Datenschutzbeauftragte kehrt von einer aktuellen Schulung zurück. Er unterrichtet den Arbeitgeber über die Risiken bei einer gestatteten Privatnutzung elektronischer Kommunikationsmittel (mögliche Anwendbarkeit des bereichsspezifischen Datenschutzgesetzes TDDDG, wenn der Arbeitgeber zum Telekommunikationsdiensteanbieter werden sollte). Daraufhin entscheidet sich der Arbeitgeber zur Einführung klarer Nutzungsregeln. Ein Verbot der Privatnutzung empfindet die Geschäftsleitung jedoch nicht als zeitgemäß. Sowohl der Internetzugang als auch die E-Mail-Adresse sollen in geringem Umfang auch zur privaten Nutzung zur Verfügung stehen, sofern keine Auswirkungen auf die Arbeitsleistung zu erwarten sind.
bb) Rechtliche Grundlagen
(1) Allgemeines
Rz. 394
Die Nutzung elektronischer Informations- und Kommunikationsmittel wie Internet und E-Mail gehört in den meisten Unternehmen zum Arbeitsalltag. Vielfach werden zum Zeitpunkt der Einführung keine konkreten Regeln über den Umgang mit diesen Medien aufgestellt. Insbesondere die Fragen der Privatnutzung und der Nutzungsüberwachung, die in der Praxis vermehrt zu Problemen führen, bleiben meist unbeantwortet.
Rz. 395
Gerade weil sich durch die Vernetzung der Arbeitsplätze in Unternehmen und der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel auch Überwachungsmöglichkeiten des Arbeitgebers eröffnen, wird dieser Bereich von Betriebsräten thematisiert und der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung gefordert. Vielfach existieren aber auch bereits Regelungen – durchaus in Form von Betriebsvereinbarungen – die aufgrund der technischen Veränderungen sowie der rechtlichen Entwicklungen aktualisiert und angepasst werden müssen.
(2) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
(a) § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Rz. 396
Bei der betrieblichen Internet- und E-Mail-Nutzung eröffnet sich für den Arbeitgeber allein durch die Standardsoftware eine Vielzahl von Überwachungsmöglichkeiten. Sowohl bei der Einführung eines Internetzuganges als auch bei der Einrichtung eines E-Mail-Anschlusses besteht für den Betriebsrat grundsätzlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, sofern diese dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistungen der Arbeitnehmer zu überwachen.
Rz. 397
An den Begriff der technischen Einrichtung werden keine großen Anforderungen gestellt. Technische Einrichtungen sind alle optischen, mechanischen, akustischen oder elektronischen Geräte. Bei einem Internetzugang oder einer E-Mail-Adresse handelt es sich damit um eine technische Einrichtung. Auch bei der Einrichtung einer konzernweiten Facebook-Seite kann ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestehen. Nach Ansicht des BAG kann die Funktion "Besucher-Beiträge" eine Überwachung ermöglichen, wenn sie den Nutzern Postings zum Verhalten und der Leistung konzernzugehöriger Arbeitnehmer ermöglicht.
Rz. 398
Der Begriff der Überwachung ist ebenfalls sehr weitgehend. Unter den Begriff der Überwachung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG fällt sowohl die reine Erhebung von Daten, sobald sie mit Hilfe einer technischen Einrichtung ausgeführt wird, als auch die Phase der technischen Verarbeitung – auch wenn die Erhebung der Daten auf manuellem Wege erfolgt. Ebenso sind die Phasen der Speicherung oder der Auswertung unter den Begriff der Überwachung zu subsumieren.
Rz. 399
Weiterhin ist es, entgegen des Gesetzeswortlauts, ausreichend, dass die Einrichtung aufgrund ihrer Konstruktion oder technischen Ausstattung objektiv zur Überwachung geeignet ist. Auf eine konkrete Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an. Es ist deshalb auch irrelevant, ob die Überwachung Ziel der technischen Einrichtung oder nur möglicher Nebeneffekt ist. Ausreichend ist allein die objektive Möglichkeit. Das kann im Einzelfall zu Problemen bei der Einführung von Standardsoftware führen, weil der Betriebsrat diese blockiert. Trotz dieses Problems hält das BAG bislang an der weiten Au...