Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 735
Die Betriebsratsanhörung ist eine Willenserklärung nichttypischer Art und als solche nach den Regeln über Willenserklärungen auslegungsfähig. Umfang und Ausgestaltung der Unterrichtung durch den Arbeitgeber ergeben sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift; sie kann schriftlich oder mündlich erfolgen.
(1) Inhalt der Anhörung
Rz. 736
Dabei hat der Arbeitgeber den BR zunächst unmissverständlich über seine Kündigungsabsicht zu unterrichten und die maßgeblichen sozialen Daten des zu kündigenden Arbeitnehmers mitzuteilen, also Name, Vorname, Alter, Familienstand und Unterhaltspflichten. Allerdings hat der Arbeitgeber dem BR nur jene Informationen zu übermitteln, die aus seiner Sicht für die Kündigung relevant sind (sog. Grundsatz der subjektiven Determinierung). Für die Beurteilung der Kündigung durch den BR unverzichtbar sind jedoch das Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie ein eventuell bestehender Sonderkündigungsschutz. Die Mitteilung erübrigt sich bei Informationen, die dem BR ohnehin bereits bekannt sind. Da aber die Kenntnis des BR von diesen Informationen u.U. für den Arbeitgeber schwierig zu beweisen ist, empfiehlt sich gleichwohl die Unterrichtung über sämtliche Sozialdaten. Auch darf der Arbeitgeber bei einer verhaltensbedingten Kündigung auf die Mitteilung persönlicher Umstände des Arbeitnehmers nicht gänzlich verzichten, wenn sie sich bei objektiver Betrachtung entscheidend zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken.
Rz. 737
Die beabsichtigte Kündigungsart – außerordentlich oder ordentlich, Beendigungs- oder Änderungskündigung – ist genau zu bezeichnen. Bei beabsichtigter außerordentlicher Kündigung ist nicht notwendig auf das Bestehen von tariflichem ordentlichen Kündigungsschutz hinzuweisen. Will der Arbeitgeber außerordentlich und hilfsweise ordentlich kündigen, muss er den BR entsprechend "doppelt" anhören und darauf hinweisen, dass er zu beiden Kündigungen anhört (auch wenn die Anhörung gleichzeitig und auch zusammen erfolgen kann). In diesem Fall sind auch die unterschiedlichen Äußerungsfristen des BR nach § 102 Abs. 2 S. 1 und S. 3 BetrVG zu berücksichtigen. Das BAG hat vom Grundsatz der gesonderten Anhörung zu jeder Kündigungsart eine Ausnahme zugelassen, wenn der Arbeitgeber den BR zur außerordentlichen Kündigung angehört hat, der BR der Kündigung zugestimmt hat und auch aus den sonstigen Umständen des Falles nicht ersichtlich ist, dass der BR im Falle der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der ordentlichen Kündigung widersprochen hätte. Allerdings sollte sich ein Arbeitgeber hierauf keinesfalls verlassen, sondern den BR unbedingt zu jeder beabsichtigten Kündigung anhören. Jedenfalls in allen anderen Fällen ersetzt die Anhörung zu einer Kündigungsart nämlich mitnichten die weitere Anhörung zu der anderen. Dennoch können beide Anhörungen ohne Weiteres in einem Schreiben bzw. in einer mündlichen Mitteilung des Arbeitgebers an den BR durchgeführt werden.
(2) Kündigungsfrist und Beendigungstermin
Rz. 738
Seinem Wortlaut nach verlangt § 102 BetrVG zwar nur die Mitteilung der Gründe für die Kündigung, nicht der Kündigungsfristen oder des Kündigungstermins, der Arbeitgeber darf aber gleichwohl nicht gänzlich offenlassen, wann, unter Einhaltung welcher Frist und zu welchem Kündigungstermin eine Kündigung ausgesprochen werden soll. Denn da der BR vor jeder Kündigung anzuhören ist, muss auch eine zeitliche Konkretisierung der Kündigung erfolgen. Bei einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist ist dem Arbeitgeber zu raten, diese zu benennen. Das ungefähre Vertragsende und die zwischen Ausspruch der Kündigung und Entlassungstermin liegende Zeitdauer sind anzugeben, wobei die exakte Angabe aufgrund der Ungewissheit des Kündigungszugangs nicht erforderlich ist. Der BR benötigt die Angabe der Frist sowohl für die Interessenabwägung als auch für seine Prüfung, ob die angegebenen Gründe zu dem Entlassungszeitpunkt überhaupt vorliegen (Bsp. Anhörung zu einer Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn der BR über die tatsächlichen Umstände für die Berechnung unterrichtet ist. Auch hat das BAG im Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis von Kündigungen zuletzt entschieden, dass die Kündigungserklärung eines Insolvenzverwalters ausreichend bestimmt sei, die das Arbeitsverhältnis "ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt" beende, wenn zugleich die Kündigungsfristen des § 622 BGB und des § 113 InsO benannt werden, und dass § 113 InsO insoweit zu...