Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 179
§ 87 Abs. 1 BetrVG trifft keine Aussagen über die Form der Ausübung des Mitbestimmungsrechts in sozialen Angelegenheiten. Das Gesetz beschränkt sich auf die Anordnung, dass der Betriebsrat mitzubestimmen hat und regelt, dass die Einigungsstelle entscheidet, wenn keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zustande kommt (§ 87 Abs. 2 S. 1 BetrVG).
Rz. 180
In der betrieblichen Praxis erfolgt die Umsetzung der Mitbestimmung zumeist durch Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien. Geht es hierbei nur um die Begründung von schuldrechtlichen Rechten und Pflichten zwischen den Betriebspartnern, kann dies durch Regelungsabreden oder Betriebsabsprachen erfolgen. Sollen Rechte und Pflichten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern normativ begründet werden, bedarf es hierfür des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung, die wie eine Rechtsnorm auf die Arbeitsverhältnisse unmittelbar und zwingend einwirkt, § 77 Abs. 4 BetrVG. Beide Betriebspartner (Arbeitgeber wie Betriebsrat) können verlangen, dass eine Regelungsabrede inhaltlich in eine Betriebsvereinbarung umgewandelt wird.
Rz. 181
Definitorisch handelt es sich bei der Betriebsvereinbarung um einen schriftlichen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zur Regelung von Rechten und Pflichten der Betriebspartner und zur Festlegung von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Für sie gilt gem. § 77 Abs. 2 BetrVG die Schriftform, es bedarf also der Unterzeichnung durch beide Parteien. Andernfalls ist die Betriebsvereinbarung nach § 125 BGB nichtig.
Rz. 182
Die Regelungsabrede (oder Betriebsabsprache) hingegen stellt eine (bloße) schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat dar, durch die der Betriebsrat seine Zustimmung zu Rechtsgeschäften oder tatsächlichen Maßnahmen des Arbeitgebers zum Ausdruck bringt. Die Regelungsabrede begründet keinen unmittelbaren Anspruch der Arbeitnehmer. Für die Wahrung der Beteiligungsrechte genügt diese jedoch und wird hierfür in der Praxis oft hinsichtlich der Regelung von Einzelfällen angewandt. Im Gegensatz zur Betriebsvereinbarung fehlt der Regelungsabrede jedoch jegliche normative, also unmittelbare und zwingende Wirkung; um Wirkung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu entfalten, muss sie durch individualrechtliche Maßnahmen (z.B. Änderungskündigung, Vereinbarung oder Weisung im Rahmen des Direktionsrechts) in die einzelnen Arbeitsverträge transformiert werden. Im Gegensatz dazu gilt die Betriebsvereinbarung unmittelbar und zwingend – bedarf also keines weiteren Umsetzungsakts. Inhalt der Regelungsabrede können alle betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten i.S.d. §§ 80 ff. BetrVG sein. Sie kommt auch in Konstellationen in Betracht, in denen eine Regelung durch Betriebsvereinbarung unzulässig ist. Im Gegensatz zur Betriebsvereinbarung kann die Regelungsabrede formlos zustande kommen, also etwa auch durch schlüssiges Verhalten. Allerdings bedarf es auch hierfür eines Beschlusses des Betriebsrates, sodass etwa bloßes Schweigen des Betriebsrates auf Vorschläge des Arbeitgebers keine Zustimmung bedeutet. Auch wenn an die Formulierung eines Beschlusses keine strengen Maßstäbe angelegt werden dürfen, muss doch ersichtlich sein, dass dieser den Willen hat, der begehrten Maßnahme seine Zustimmung zu erteilen.
Rz. 183
Hinweis
In der betrieblichen Praxis kommt dem Institut der Betriebsvereinbarung die weitaus größere Bedeutung zu; sie stellt die klarste Form der Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat dar und reduziert durch textliche Festlegung Unklarheiten.