Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 159
Die Regelungsmacht der Betriebspartner ist durch den Individualschutz der Arbeitnehmer begrenzt, § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG.
Rz. 160
Hinweis
So sind bspw. Lohnverwendungsbestimmungen oder Regelungen zur außerbetrieblichen Lebensgestaltung in Betriebsvereinbarungen unzulässig. Die Vereinbarung eines Lohnabtretungsverbots in einer Betriebsvereinbarung ist indes zulässig, nicht jedoch das (ggf. auch nur teilweise) Abwälzen der Kosten für grds. vom Arbeitgeber zu stellende Arbeits- und Schutzbekleidung. Bei Regelungen zur Videoüberwachung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren.
Rz. 161
Altersgrenzen für die automatische Beendigung von Arbeitsverhältnissen ohne Kündigung in Betriebsvereinbarungen sind – auch im Lichte des § 10 S. 3 Nr. 5 AGG – zulässig. Die dabei von den Betriebsparteien zu beachtenden Grundsätze von Recht und Billigkeit im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 75 Abs. 1 BetrVG) sind gewahrt, wenn die Altersgrenze an den Zeitpunkt anknüpft, zu dem der Arbeitnehmer die Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen kann. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.
Hinweis
Inzwischen hat das BAG – entgegen seiner eigenen früheren Rechtsprechung – entschieden, dass die tariflichen Altersgrenzen für Piloten, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem Ende des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres endet, gegen das Benachteiligungsverbot wegen Alters verstößt (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer die Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen kann, ist hingegen zulässig.
Rz. 162
Die Mitbestimmung stößt dort an ihre Grenzen, wo mit dem Arbeitnehmer einzelvertraglich für diesen günstigere Regelungen getroffen werden. Als Kollisionsregelung gilt also das Günstigkeitsprinzip. Welche Arbeitsbedingungen günstiger sind, ist durch einen Sachgruppenvergleich zu ermitteln.
Rz. 163
Hinweis
Im Rahmen des Günstigkeitsprinzips können solche Bedingungen in den Vergleich einbezogen werden, die in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang wird z.B. bejaht für Regelungen zur Urlaubsdauer, zur Länge einer Wartezeit, zur Höhe des Urlaubsgeldes, sowie zur Dauer der Arbeitszeit und zur Vergütung; ebenso bei übertariflichen Zulagen, die zugleich tarifliche Zulagen abgelten.
Durch den Sachgruppenvergleich soll im Rahmen einer sogenannten "Rosinentheorie" eine isolierte Betrachtung einzelner Aspekte des Arbeitsvertrags verhindert werden, soweit diese teilweise günstiger, teilweise aber auch ungünstiger für den Arbeitnehmer sind.
Rz. 164
Für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips ist kein Raum, wo der Arbeitsvertrag abweichende – auch verschlechternde – Regelung durch Betriebsvereinbarung zulässt, d.h. betriebsvereinbarungsoffen ist. Unzweifelhaft können die Arbeitsvertragsparteien eindeutig vereinbaren, dass Regelungsgegenstände des Arbeitsvertrags durch Betriebsvereinbarung auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers verändert werden können. Umstritten zwischen den Senaten des BAG ist, ob über die ausdrückliche Vereinbarung der Betriebsvereinbarungsoffenheit hinaus, Arbeitsbedingungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug stets der abweichenden Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Der 10. und der 4. Senat verlangen mit Verweis auf das Transparenzgebot dass der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarungsoffenheit bei den formularmäßig verwendeten Arbeitsverträgen hinreichend klar und verständlich zum Ausdruck bringen muss; es bedarf hierfür also einer konkreten Regelung, dass und ggf. welche Arbeitsbedingungen der Disposition der Betriebsparteien unterstellt werden sollen. Der 1. Senat und ihm insoweit nachfolgend der 5. und der 3. Senat gehen hingegen auch ohne ausdrückliche Regelung davon aus, dass allgemeine Arbeitsbedingungen auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, so dass aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers unzweifelhaft sei, dass eine Änderung dieser durch den Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung möglich ist. Maßgeblich ist also der kollektive Bezug der Arbeitsbedingungen. Sollen allgemeine Geschäftsbedingungen betriebsvereinbarungsfest sein, bedarf es der ausdrücklichen Regelungen.
Rz. 165
Hinweis
Sicherer wird es sein, die Betriebsvereinbarungsoffenheit ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufzunehmen und die Bedingungen zu bezeichnen, die der Disposition der Betriebsparteien unterstellt bzw. von dieser ausgenommen sein sollen.
Rz. 166
Bei vertraglichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen handelt es sich nach der Rechtsprechung zwar grds. um individuelle Ansprüche. Bei diesen ist jedoch der kollektive Bezug nach der Rechtsprechung des 1., 3. und 5. Senats bereits in der Regelung angelegt. Eine A...