Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 1061
Die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 BGB gilt nur für den Fall, dass tatsächlich ein Betriebsübergang erfolgt ist. Haben Veräußerer und/oder Erwerber irrtümlich einen Betriebsübergang angenommen, ist § 613a Abs. 6 BGB nach Auffassung des BAG auch nicht analog anzuwenden.
Nur eine vollständige und zutreffende Unterrichtung löst die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 BGB aus. Bei fehlerhafter Unterrichtung läuft die einmonatige Frist nicht, der Arbeitnehmer kann daher grundsätzlich bis zur Grenze der Verwirkung nachträglich widersprechen und damit den Verbleib beim bisherigen Arbeitgeber bewirken. Eine gezielte Herbeiführung der Verwirkung wird diskutiert. Behält sich der Arbeitnehmer vor, dem Betriebsübergang zu widersprechen, so ist der Vorbehalt für sich weder verwirkungshemmend noch begründet er ein Umstandsmoment für die Verwirkung.
Hinweis
Das BAG hat bislang stets betont, dass die bloße Weiterarbeit beim Erwerber – mangels Umstandsmoment – grundsätzlich nicht zu einer Verwirkung führe. Anders soll dies nach der jüngeren Rechtsprechung des BAG jedoch sein, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Unterrichtung "grundlegende Informationen" (Übergang des Arbeitsverhältnisses aufgrund Betriebsübergangs, den (geplanten) Zeitpunkt des Betriebsübergangs, den Gegenstand des Betriebsübergangs sowie den Betriebserwerber) von dem Erwerber oder Veräußerer in Textform erhalten hat und über sein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB belehrt wurde. Dann soll das Widerspruchsrecht regelmäßig nach sieben Jahren verwirken. Diese Frist soll nach Ablauf der Monatsfrist beginnen, frühestens jedoch mit dem Betriebsübergang.
Rz. 1062
Folgen mehrere Betriebsübergänge nacheinander, so erlischt das Widerspruchsrecht im Hinblick auf den vorangegangenen Betriebsübergang in der Regel, wenn der Arbeitnehmer über den weiteren Betriebsübergang mehr als einen Monat vor diesem weiteren Übergang informiert wird und er nicht auch binnen eines Monats dem vorangegangenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses widerspricht. Voraussetzung ist lediglich, dass der Arbeitnehmer zu jedem Betriebsübergang einige grundlegende Informationen (nämlich Übergang des Arbeitsverhältnisses aufgrund Betriebsübergangs, den (geplanten) Zeitpunkt des Betriebsübergangs, den Gegenstand des Betriebsübergangs sowie den Betriebserwerber) in Textform von dem jeweiligen Veräußerer und/oder Erwerber erhalten hat. Ob die Unterrichtung im Übrigen den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB genügt, ist nur für einen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses aufgrund des weiteren Betriebsübergangs relevant. Für zwei Betriebsübergange bedeutet dies für die Widersprüche gegen die Betriebsübergänge in der Regel Folgendes, wenn der Arbeitnehmer über beide Übergänge grundlegend in Textform informiert wurde:
Information über zweiten Betriebsübergang einen Monat oder mehr vor zweitem Übergang |
Widerspruch gegen ersten Betriebsübergang vor Ablauf eines Monats nach Information über zweiten Betriebsübergang |
Prüfung der Widersprüche gegen die Übergänge |
Ja |
Ja |
1. wirksamer Widerspruch gegen ersten Betriebsübergang? – Maßstab: vollständige Information |
2. falls ja: Arbeitsverhältnis mit ursprünglichem Arbeitgeber –Wirksamkeit des Widerspruchs gg. zweiten Übergang irrelevant |
2. falls nein: (hilfsweise erklärter) wirksamer Widerspruch gegen zweiten Betriebsübergang – Maßstab: vollständige Information |
Ja |
Nein |
1. Widerspruchsrecht gegen ersten Betriebsübergang erloschen 2. Wirksamer Widerspruch gegen zweiten Betriebsübergang? – Maßstab: vollständige Information |
Nein |
Ja oder Nein |
1. wirksamer Widerspruch gegen zweiten Betriebsübergang? – Maßstab: vollständige Information |
2. Falls ja: Wirksamer Widerspruch gegen ersten Betriebsübergang? – Maßstab: vollständige Information |
2. Falls nein: Arbeitsverhältnis mit letztem Betriebserwerber – Wirksamkeit des Widerspruchs gegen ersten Übergang irrelevant |
Rz. 1063
Laut BAG ist eine Heilung von Unterrichtungsfehlern durch Korrektur beziehungsweise Vervollständigung der Unterrichtung möglich. Ab Zugang der Korrektur oder Vervollständigung wird dann die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt, sofern die Korrektur in Textform gemäß § 613a Abs. 5 BGB durchgeführt und das Schreiben ausdrücklich als Unterrichtung gemäß § 613a BGB gekennzeichnet wird. Es empfiehlt sich, in dem Schreiben auf den Beginn der Widerspruchsfrist mit Zugang der Korrektur oder Ergänzung hinzuweisen.
Eine solche gesonderte Unterrichtung ist dem BAG zufolge nicht erforderlich, wenn ein ursprünglich fehlerhaftes Unterrichtungsschreiben später kraft Gesetzes geheilt wird. Dann läuft die Widerspruchsfrist ab dem Zeitpunkt, zu dem die Unterrichtung kraft Gesetzes vollständig oder richtig ist. In dem konkret entschiedenen Fall fehlte im Unterrichtungsschreiben der Hinweis auf die Sozialplanprivilegierung nach § 112a BetrVG. Weil diese Privilegierung jedoch auf vier Jahre begrenzt ist, könne der Mang...