Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 765
Die Anhörungsfrist beginnt mit der Entgegennahme der Anhörung durch den BR-Vorsitzenden. Verweigert dieser die Annahme einer Mitteilung außerhalb der Arbeitszeit, läuft die Anhörungsfrist erst ab Zugang während der Arbeitszeit. Nimmt die zur Entgegennahme auf Seiten des BR berechtigte Person sie indes widerspruchslos hin, ist die Anhörung zugegangen und die Anhörungsfrist beginnt zu laufen. Zwar kann der Fristbeginn auch durch Einlegen des Anhörungsschreibens in das Postfach des BR ausgelöst werden, aus Beweisgründen empfiehlt sich aber die persönliche Übergabe (gegen Empfangsbestätigung).
Rz. 766
Übergibt der Arbeitgeber die schriftliche Anhörung nicht dem zur Entgegennahme berechtigten Vertreter des BR, zumeist dem BR-Vorsitzenden, sondern einer anderen Person (auch einem anderen BR-Mitglied), oder teilt er dieser mündlich die Kündigungsgründe mit, so ist diese andere Person lediglich Erklärungsbote. Die Anhörungsfrist beginnt damit erst, wenn die Arbeitgebererklärung dem empfangsberechtigten BR-Mitglied zugeht. Der Arbeitgeber trägt hier also das volle Übermittlungsrisiko; auch eine etwaige Unvollständigkeit der (mündlichen) Anhörung geht zu seinen Lasten. Der BR muss den Arbeitgeber auch nicht darauf hinweisen, dass die Anhörungsfrist mit Zugang bei dem Erklärungsboten noch nicht begonnen hat; es ist vielmehr Sache des Arbeitgebers, sich zu erkundigen, wann die Frist begonnen hat und wann sie endet. Selbst wenn der BR in der Vergangenheit die Anhörung gegenüber einem für die Entgegennahme von Informationen des Arbeitgeber unzuständiges Mitglied hingenommen hat, und den Fristbeginn daher gegen sich gelten lassen musste, kann dies zur Annahme einer Duldungsvollmacht führen. Ein nicht empfangsberechtigtes BR-Mitglied gilt wohl (nur) als Erklärungsbote des Arbeitgebers mit der Folge, dass die Anhörungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Bote sie an ein zuständiges Mitglied des BR, in der Regel dessen Vorsitzenden weitergeleitet hat.
Rz. 767
Die Anhörungsfrist kann aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auch in Eilfällen nicht einseitig vom Arbeitgeber verkürzt werden. Dies würde eine nicht hinnehmbare Einmischung in die Amtsführung des BR bedeuten, der dann nicht mehr autonom entscheiden könnte, welche Maßnahmen er innerhalb der gesetzlichen Frist in welcher Art und Weise durchführen will. Ob der Arbeitgeber und der BR die Stellungnahmefrist hingegen einvernehmlich verkürzen können, ist umstritten: Während dies nach einer Auffassung einen unzulässigen Verzicht des BR auf die ihm gesetzlich übertragenen Mitwirkungsrechte zu Lasten des Arbeitnehmers darstellen soll, handelt es sich nach anderer Ansicht dabei um eine bloße Verfahrensregelung, sodass eine Vereinbarung über die Abkürzung der Frist für zulässig erachtet wird. In der Praxis nicht selten sind allerdings Fälle, in denen der BR zulässigerweise – ob mit oder ohne Absprache mit dem Arbeitgeber – bereits vorfristig abschließend Stellung nimmt und so dem Arbeitgeber ermöglicht, bereits vor Ablauf der Anhörungsfrist fortzufahren, insbesondere zu kündigen. Davon zu unterscheiden ist die Vereinbarung einer generellen Verkürzung der Anhörungsfrist.
Dagegen ist eine Verlängerung der Anhörungsfrist aufgrund Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und BR zwar zulässig, jedoch nicht generell empfehlenswert, insbesondere auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung und der kurzen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, die sich hierdurch nicht gleichzeitig auch verlängert. Allerdings kommt es in der Praxis gelegentlich bei Massenentlassungsanhörungen zu derlei Vereinbarungen. Der Arbeitgeber dürfte gut beraten sein, wenn er dabei dann etwa die Auswirkungen auf Kündigungsfristen im Blick behält.