Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
1. Allgemeines
a) Vorbemerkung
Rz. 112
§ 87 BetrVG regelt die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten. Die in § 87 Abs. 1 Nr. 1–14 BetrVG aufgeführten Tatbestände stellen einen abschließenden Katalog der Regelungsbereiche in sozialen Angelegenheiten dar, in denen die einseitige Anordnung des Arbeitgebers durch eine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ersetzt wird. Daneben gibt es noch die Möglichkeit einer freiwilligen Betriebsvereinbarung in den sozialen Angelegenheiten des § 88 BetrVG. Zweck ist, den Arbeitnehmer im Hinblick auf einseitige Weisungen des Arbeitgebers im Wege des Direktionsrechts durch Mitwirkung des Betriebsrats zu schützen – Ziel ist also der Schutz der Arbeitnehmer. Entsprechend endet das Mitbestimmungsrecht dort, wo der Arbeitgeber bereits durch eine abschließende gesetzliche oder tarifliche Regelung gebunden ist, also auch selbst keinen Regelungsspielraum mehr hat. Eine Ausnahme gilt insoweit für den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Gesundheitsschutz). Denn hier schaffen die gesetzlichen Regelungen überhaupt erst den Rahmen für die Mitbestimmung des Betriebsrats. Eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte durch Betriebsvereinbarung ist nicht möglich.
Rz. 113
Zentrales Mittel zur Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG ist die Betriebsvereinbarung. Diese wirkt – wie ein Gesetz – unmittelbar und zwingend, § 77 Abs. 4 BetrVG. Entsprechend sind Betriebsvereinbarungen wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Es kommt also auf den im Wortlaut der Betriebsvereinbarung zum Ausdruck gelangten Willen der Betriebspartner an. Darüber hinaus ist der Zweck der Regelung, der Gesamtzusammenhang und die Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen. Maßgeblich ist insofern auch, wie eine entsprechende Regelung im Betrieb bereits tatsächlich gelebt wurde. Es gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem vernünftigen und praktikablen Ergebnis führt.
Rz. 114
Hinweis
Die Beachtung der Mitbestimmungsrechte setzt nicht zwingend den Abschluss einer Betriebsvereinbarung voraus. Es genügt auch eine formlose (auch mündliche) Einigung der Betriebsparteien. Im Streitfall führt diese allerdings zu Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten.
Stets erforderlich zur Wahrung der Beteiligungsrechte ist ein hierauf bezogener wirksamer Beschluss des Betriebsratsgremiums. (Zur Form der Ausübung der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten siehe Rdn 179 ff.).
b) Anwendungsbereich
aa) Persönlicher Geltungsbereich
Rz. 115
Die Mitbestimmung nach § 87 BetrVG gilt für alle Arbeitnehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG. Sie erstreckt sich somit insbesondere auch auf alle außertariflichen Angestellten (sog. AT- bzw. ÜT-Angestellte), sofern es sich nicht um leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG handelt, da diese nicht vom Betriebsrat vertreten werden. Auch eine Vertretungsberechtigung für bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer fehlt.
Rz. 116
Grundsätzlich entfällt damit auch die Regelungskompetenz des Betriebsrats für Betriebsrentner. Die Rechtsprechung hat aber ausdrücklich offengelassen, ob dies so auch für Fragen der betrieblichen Altersversorgung uneingeschränkt gilt. Notwendige Anpassungen der Versorgungszusage werden in der Rechtsprechung damit gerechtfertigt, dass der (inzwischen beendete) Arbeitsvertrag eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Betriebsvereinbarung enthält, sodass auch die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossene Betriebsvereinbarung Geltung erlangt.
Rz. 117
Leiharbeitnehmer gelten betriebsverfassungsrechtlich nur eingeschränkt als Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs, da sie auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei dem Entleiher Angehörige des Verleiherbetriebs bleiben. Dies gilt unabhängig davon, dass gemäß § 7 S. 2 BetrVG die Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden, den dortigen Betriebsrat mitwählen und zukünftig bei den für die Mitbestimmung geltenden Schwellenwerten auch beim Entleiher zu berücksichtigen sind, sofern dies d...