Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
(1) Fehler auf Seiten des Betriebsrats
Rz. 769
Äußert sich ein einzelnes BR-Mitglied – oder sogar der BR-Vorsitzende – gegenüber dem Arbeitgeber zur beabsichtigten Kündigung und weiß dieser oder muss er davon ausgehen, dass die ihm mitgeteilte Ansicht nicht durch einen entsprechenden Beschluss des Gremiums gedeckt ist, ist die Anhörung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. So ist z.B. eine Spontanantwort des BR-Vorsitzenden zu einer soeben erst erfolgten Kündigungsanhörung als erkennbare Einzeläußerung anzusehen, die mit dem BR-Gremium nicht abgestimmt sein kann. Im Übrigen aber ist das Anhörungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen, wenn der BR seine Zustimmung erteilt hat oder seine sonstige Stellungnahme abgibt. Mängel, die im Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des BR – also in dessen Sphäre – entstehen, gehen nicht zu Lasten des Arbeitgebers. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Arbeitgeber selbst den Fehler durch unsachgemäßes Verhalten veranlasst hat. Mängel bei der Beschlussfassung des BR haben aber grundsätzlich selbst dann keine Auswirkungen auf die Ordnungsgemäßheit seiner Anhörung, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt weiß oder erkennen kann, dass der BR die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat. Solche Fehler – etwa die Abgabe der Stellungnahme durch ein dafür unzuständiges Mitglied des BR – gehen schon deshalb nicht zu Lasten des Arbeitgebers, weil er keine rechtliche Möglichkeit eines Einflusses auf die Beschlussfassung des BR hat. Im Übrigen bleibt die Kündigung bei Fehlern auf Seiten des BR wirksam (sog. Sphärentheorie). Der Arbeitgeber hat keine Möglichkeit, Fehler in der Sphäre des BR zu kontrollieren oder zu beheben. Wäre die Kündigung bei einem Fehler des BR unwirksam, könnte dieser die Wirksamkeit der Kündigung manipulieren, ohne dass der Arbeitgeber dies beeinflussen könnte.
Rz. 770
Die Beschlussfassung im Umlauf- oder "Rundrufverfahren", bei dem der BR-Vorsitzende telefonisch die Stimmen der einzelnen BR-Mitglieder abfragt, wird nach überwiegender Auffassung für unzulässig erachtet; und zwar selbst bei Einverständnis aller BR-Mitglieder, denn die gesetzliche Regelung zur Beschlussfassung im BR sieht die Mehrheit der "anwesenden" Mitglieder des BR vor, § 33 Abs. 1 BetrVG. Grund dafür ist, dass nur bei Anwesenheit auch eine ordnungsgemäße Beratung vor der Beschlussfassung gewährleistet werden kann. Grundsätzlich dürften aber Fehler in der Beschlussfassung der Wirksamkeit des Anhörungsverfahrens nicht entgegenstehen, denn der Arbeitgeber hat von ihnen regelmäßig keine Kenntnis.
(2) Fehler auf Seiten des Arbeitgebers
Rz. 771
Eine aus Sicht des Arbeitgebers unvollständige oder bewusst unrichtige und damit irreführende Darstellung stellt keine ordnungsgemäße Anhörung dar. Dabei kann die Fehlerhaftigkeit sowohl aus der Aufbereitung der mitgeteilten Tatsachen, als auch aus dem Weglassen von gegen die Kündigung sprechenden, den Arbeitnehmer entlastenden Informationen resultieren. Unterliegt der Arbeitgeber zwar vermeidbar, aber unbewusst einer "bloß" objektiven Fehlinformation, führt die irrtümlich falsche Unterrichtung des BR allein nicht zur Unwirksamkeit – die Beweislast für seine Gutgläubigkeit trägt der Arbeitgeber. Schreibfehler können aber zu Lasten des die Zustimmung zur Kündigung eines BR-Mitglieds beantragenden Arbeitgebers gehen. Nach Auffassung des LAG Rheinland-Pfalz kann eine Häufung von jeweils für sich genommen nicht so gravierenden Fehlern in der BR-Anhörung jedenfalls in ihrer Gesamtheit zu einer unvollständigen und unrichtigen Anhörung des Betriebsrats führen.