Rz. 256

Der Versicherungsnehmer kann meist keine Zeugen oder sonstige Beweismittel für die Entwendung beibringen und befindet sich deshalb regelmäßig in Beweisnot. Ohne Beweiserleichterungen wäre der Wert der Diebstahlversicherung in den häufigen Fällen fehlender Tataufklärung deshalb von vornherein in Frage gestellt.[344] Um einerseits dem Versicherungsnehmer keine zu hohen Hürden zu stellen und andererseits den Versicherer vor Missbrauch durch unredliche Versicherungsnehmer zu schützen, hat der BGH das sog. "Zwei-Stufen-Modell" entwickelt.[345] Dessen Beweiserleichterung gilt entsprechend für die Entwendung von Teilen eines abgestellten Fahrzeugs.[346]

[344] Vgl. dazu umfassend Römer, NJW 1996, 2329 ff.; NVersZ 1998, 63 ff.; zfs 1999, 321 ff.; Günther, NVersZ 1999, 57 ff., jeweils m.w.N.
[345] BGH VersR 1984, 29 und st. Rspr., z.B. VersR 1995, 909; 1996, 319; 1997, 733.
[346] OLG Hamm VersR 2012, 1165.

aa) Zum äußeren Bild

 

Rz. 257

Der Versicherungsnehmer muss lediglich einen Sachverhalt darlegen und beweisen, aus dem sich das äußere Bild einer versicherten Fahrzeugentwendung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erschließen lässt.[347] Das äußere Bild ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer oder ein anderer Berechtigter das Fahrzeug an einer bestimmten Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt und es später dort gegen seinen Willen nicht wieder vorgefunden hat.[348] Dieser so genannte "Minimalsachverhalt" ist allerdings ohne jede Einschränkung der Beweisanforderungen voll zu beweisen.[349] Der Nachweis eines bloßen Rahmensachverhalts reicht für den Beweis des Mindestmaßes an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung des Kfz zulassen, nicht aus.[350] Bereits bei widersprüchlichen Angaben von Versicherungsnehmer und Zeugen zum Randgeschehen ist das äußere Bild nicht nachgewiesen.[351]

 

Rz. 258

Hat der Versicherungsnehmer für das Abstellen des Fahrzeugs und das spätere Nichtwiederauffinden nur verschiedene Zeugen, dann ist der Beweis des äußeren Bildes nur dann geführt, wenn die Aussagen der Zeugen zuverlässig ergeben, dass sich ihre Beobachtungen auf ein und dieselbe Örtlichkeit beziehen.[352]

 

Rz. 259

Der volle Beweis für das Minimum ist nicht schon durch die Diebstahlanzeige bei der Polizei geführt.[353]

 

Rz. 260

Stehen keine Zeugen zur Verfügung, kann der Versicherungsnehmer den Nachweis des äußeren Bildes einer Fahrzeugentwendung auch im Rahmen einer Parteianhörung mit seinen eigenen Angaben erbringen.[354] Der Nachweis des äußeren Bildes durch die eigenen Angaben setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer uneingeschränkt glaubwürdig ist. Daran fehlt es, wenn Tatsachen feststehen, die ernsthafte Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers und an der Richtigkeit seiner Sachverhaltsschilderung aufkommen lassen;[355] bloße Verdachtsmomente reichen allerdings nicht aus, auch nicht ein gegen den Versicherungsnehmer geführtes Strafverfahren, wenn es nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt hat.[356] Die mangelnde Glaubwürdigkeit kann sich aus strafrechtlichen Verurteilungen ergeben, die im Bundeszentralregister noch nicht getilgt sind.[357] Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK hindert nicht, bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung bewiesene Unrichtigkeiten im Zusammenhang mit einem früheren Schadensfall zu berücksichtigen.[358] Unglaubwürdig ist, wer in der Vergangenheit Falschangaben bei Versicherungsangelegenheiten gemacht hat.[359] Von der Unglaubwürdigkeit einer Zeugin darf nicht auf die Unglaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers selbst geschlossen werden.[360] Hat der Versicherungsnehmer die zum äußeren Bild der Entwendung gehörenden Tatsachen durch Zeugen bewiesen, kommt es in diesem Stadium der Anspruchsprüfung auf seine Glaubwürdigkeit nicht an.[361]

 

Rz. 261

Die Vernehmung vorhandener Zeugen zum äußeren Bild bleibt vorrangig.[362] Auch ein unglaubwürdiger Versicherungsnehmer kann damit durch Zeugen das äußere Bild nachweisen.[363] Benennt der Versicherungsnehmer vorhandene Zeugen nicht, so ist er beweisfällig.

 

Rz. 262

Bei der Entwendung von Fahrzeugteilen entfällt das äußere Bild nicht, wenn keine Einbruchsspuren festgestellt werden; solche Spuren gehören nicht zum äußeren Bild.[364]

[347] BGH VersR 1984, 29 und st. Rspr., z.B. VersR 1995, 909; 1996, 319; 1997, 733.
[348] BGH VersR 1995, 909; 1996, 703 und st. Rspr., zuletzt BGH VersR 1999, 1535.
[349] BGH VersR 1993, 571.
[351] OLG Köln VersR 2013, 1576; OLG Koblenz r+s 2013, 543; OLG Saarbrücken zfs 2004, 463.
[352] BGH NJW-RR 1998, 1243 = NVersZ 1999, 36 = VersR 1998, 1012.
[353] BGH VersR 1993, 571.
[354] BGH VersR 1991, 917; OLG Karlsruhe MDR 2009, 680; OLG Hamburg SP 2011, 374.
[355] Vgl. OLG Köln r+s 2000, 277; r+s 2005, 241; OLG Koblenz r+s 2000, 276.
[356] BGH VersR 1996, 575; BGH VersR 1997, 53, 691; 1998, 488 (keine Berücksichtigung im Strafregister getilgter Verurteilungen; auch nicht einer Einstellung mit Zustimmung des Versicherungsnehmers g...

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