I. Neuverträge

 

Rz. 6

Das aktuelle VVG gilt seit seinem Inkrafttreten zum 1.1.2008 für alle ab diesem Zeitpunkt geschlossenen Neuverträge. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (formeller Versicherungsbeginn), so dass das aktuelle VVG unabhängig vom Beginn des Versicherungsschutzes (materieller Versicherungsbeginn) immer dann zur Anwendung kommt, wenn die Police oder Annahmeerklärung dem Versicherungsnehmer seit dem 1.1.2008 zugegangen ist. Wegen der Bedeutung des aktuellen VVG wird in diesem Beitrag immer die neue Rechtslage dargestellt. Wegen der teilweise abweichenden Rechtslage nach altem Recht wird auf die Vorauflagen verwiesen.

II. Altverträge

 

Rz. 7

Für bis zum 31.12.2007 abgeschlossene Altverträge galt das alte VVG nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG bis zum 31.12.2008 weiter. Dabei gilt nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG für Altverträge das alte VVG für die gesamte Schadenabwicklung, wenn der Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist.

Wegen der teilweise abweichenden Regelungen im neuen VVG bestand für Versicherer nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG 2008 die Möglichkeit, bis zum 1.1.2009 die AKB der Altverträge mit Wirkung zum 1.1.2009 zu ändern, soweit sie durch die VVG-Reform von den Vorschriften des neuen VVG abwichen. Eine Pflicht zur Umstellung auf die verbraucherfreundlicheren neuen AKB bestand nicht.

Eine unterlassene Umstellung bedeutet dennoch keine Benachteiligung des Versicherungsnehmers, da die fragliche Klausel bei einer für den Versicherungsnehmer nachteiligen Sanktionsregelung dann ohnehin unwirksam ist. Insoweit hat der BGH[1] mit Urt. v. 12.10.2011 für nicht umgestellte Altverträge klargestellt, dass bei Berufung des Versicherers auf die Verletzung einer vertraglich vereinbarten Obliegenheit die vertraglich vereinbarten Obliegenheiten sanktionslos bleiben, wenn der Schadenfall nach dem 1.1.2009 eingetreten ist und der Versicherer von seinem Anpassungsrecht keinen Gebrauch gemacht macht. Nach dem BGH scheidet für einen solchen Fall auch eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend aus, dass für die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit die im neuen VVG geregelten Rechtsfolgen und Entlastungsmöglichkeiten gelten sollen. Das Urteil des BGH hat damit weitreichende Folgen zu Lasten der Versicherer. Eine wirksame Vertragsanpassung liegt auch dann nicht vor, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer ohne Änderung der vereinbarten Versicherungsbedingungen lediglich über die neue Gesetzeslage informiert.[2] Bei Nachtrag wegen Einbeziehung eines erweiterten Fahrerkreises (etwa Fahrer unter 21 Jahren) oder wegen Änderung der ursprünglich vereinbarten jährlichen Fahrleistung und damit wegen Änderung von für die Tarifbestimmung wesentlichen Kriterien ist nicht von einer so wesentlichen Änderung auszugehen, dass der geänderte Vertrag einem Neuabschluss gleichkommt. Ein Versicherungsnachtrag anlässlich eines Fahrzeugwechsels stellt hingegen einen Neuvertrag i.S.d. Art. 1 EGVVG dar, für den dann das aktuelle VVG gilt.[3]

 

Hinweis

Der Versicherer kann sich nicht auf vertraglich vereinbarte Obliegenheiten berufen, wenn der Vertrag vor dem 1.1.2008 geschlossen worden ist und der Versicherer den Vertrag nicht umgestellt hat.

[1] BGH, VersR 2011, 296 mit kritischer Anm. Günther/Spielmann, VersR 2012, 549.
[3] LG Saarbrücken r+s 2013, 275; a.A. noch zu § 5 VVG a.F.: OLG Hamm VersR 2000, 719.

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