Rolf Klutinius, Jan Therstappen
I. Vertragsschluss
Rz. 10
Der Versicherungsvertrag kommt gemäß § 151 BGB durch Antrag und Annahme zu Stande. In der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung greift die Besonderheit des Kontrahierungszwanges, wenn nicht besondere Ablehnungsgründe gemäß § 5 Abs. 4 PflVG vorliegen.
Der Versicherer darf einen Antrag ablehnen, wenn der Antragsteller bereits bei ihm versichert war und der Versicherer
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den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat, |
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vom Versicherungsvertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist, |
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wegen Nichtzahlung der Erstprämie zurückgetreten ist, |
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den Versicherungsvertrag wegen Prämienverzug oder nach Eintritt des Versicherungsfalls gekündigt hat. |
1. Antragsmodell
a) Informationspflicht vor Vertragsschluss
Rz. 11
§ 7 Abs. 1 VVG sieht vor, dass der Versicherer dem künftigen Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die in einer Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2 VVG bestimmten Verbraucherinformationen in Textform mitzuteilen hat. Sämtliche Informationen müssen dem künftigen Versicherungsnehmer damit schon bei Vertragsschluss vorliegen. Insoweit handelt es sich um ein qualifiziertes Antragsmodell. Sofern der Versicherungsnehmer im Rahmen der auf alle versicherungsrechtlichen Vertragsabschlüsse anwendbaren "Verzichtslösung" nach § 7 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 VVG durch eine gesonderte schriftliche Erklärung auf eine vorvertragliche Information über die AKB verzichtet und sodann unverzügliche Übersendung erfolgt, werden die AKB auch ohne vorherige Übersendung Vertragsbestandteil, da die Norm als speziellere Regelung der Vorschrift des § 305 Abs. 3 BGB vorgeht.
b) Beratungspflicht vor Vertragsschluss
Rz. 12
Über die Regelung des § 7 VVG hinaus hat der Versicherer nach § 6 VVG schon vor Vertragsschluss weitgehende Beratungspflichten gegenüber dem künftigen Versicherungsnehmer zu erfüllen. Dabei grenzt sich die Beratungspflicht nach § 6 VVG dadurch von der Informationspflicht nach § 7 VVG ab, dass die Beratung anders als die allgemein gehaltene Produktinformation konkret auf die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Versicherungsnehmers abgestimmt sein muss. Der Versicherer hat nach § 6 VVG besondere Pflichten zur Befragung, Beratung, Begründung und Dokumentation, die bei Vertragsschluss nach § 61 VVG auch für den Versicherungsvermittler gelten. Allerdings kann nach § 6 Abs. 3 VVG durch gesonderte schriftliche Erklärung auf die Beratung verzichtet werden. Während der Vertragslaufzeit besteht diese Verpflichtung nach § 6 Abs. 4 VVG nur für den Versicherer. Dabei sehen § 6 Abs. 5 VVG sowie § 63 VVG bei schuldhafter Verletzung jeweils Schadensersatzverpflichtungen des Versicherers bzw. des Vermittlers vor.
2. Billigungsklausel
Rz. 13
Eine Abweichung im Versicherungsschein vom Antrag gilt gem. § 5 Abs. 1 VVG (Billigungsklausel) als genehmigt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von einem Monat nach Übersendung des Versicherungsscheins widerspricht. Nach § 5 Abs. 2 VVG muss der Versicherer den Versicherungsnehmer auf diese Rechtsfolge sowie auf jede Abweichung im Versicherungsschein vom Antrag hinweisen. Die bloße Aushändigung von geänderten AKB mit der Aushändigung des geänderten Versicherungsscheins reicht für eine Einbeziehung nicht aus. Geänderte Bedingungen werden nur unter den Voraussetzungen des § 5 VVG Vertragsbestandteil. Der Versicherer muss den Zugang der Police und des vom Antrag abweichenden Zusatzes beweisen.
3. Widerrufsrecht
Rz. 14
Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung nach § 8 Abs. 1 S. 1 VVG innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Der Widerruf muss in Textform gegenüber dem Versicherer erklärt werden, wobei zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung ausreicht. Zudem beginnt die Widerrufsfrist nach § 8 Abs. 2 VVG erst mit Zugang des Versicherungsscheins sowie aller nach § 7 VVG zu überlassender Informationen. Damit die Frist überhaupt zu laufen beginnt, müssen dem Versicherungsnehmer zunächst die nachfolgend aufgelisteten Unterlagen übersandt werden:
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Versicherungsschein, |
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Vertragsbestimmungen (AKB und Sonderbedingungen), |
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Versicherungsinformationen und Produktinformationsblatt nach § 7 Abs. 1 und 2 VVG, |
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Belehrung über das Widerrufsrecht. |
Fehler des Versicherers bei der Übersendung der Unterlagen können dazu führen, dass ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers besteht. Zumindest nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 VVG kann der Versicherungsnehmer bei nicht vollständiger Übersendung sämtlicher Unterlagen durch den Versicherer den Versicherungsvertrag noch viele Jahre nach Vertragsschluss widerrufen (ewiges Widerrufsrecht).
Rz. 15
Kein Widerrufsrecht besteht, wenn der Versicherer auf besonderen Antrag des Versicherungsnehmers vorläufige Deckung zugesagt hat. Das Widerrufsrecht ist dann nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 VVG ausgeschlossen.
Rz. 16
Die Rechtsfolgen des Widerrufs sind in § 9 VVG geregelt. Bei Widerruf ...