Rolf Klutinius, Jan Therstappen
Rz. 123
Nach E.1.3.2 AKB muss der Versicherungsnehmer vor Beginn der Verwertung oder Reparatur des Fahrzeugs Weisungen beim Versicherer einholen (Weisungsbefugnis). Es liegt eine vorsätzliche Verletzung dieser Obliegenheit vor, wenn das Fahrzeug nach Beauftragung eines eigenen Sachverständigen durch den Versicherungsnehmer repariert und veräußert wird.
Rz. 124
Anders als in der Vergangenheit ist in den AKB wegen § 105 VVG kein Anerkennungs- und Befriedigungsverbot mehr enthalten. Dies zieht nach sich, dass der Versicherungsnehmer den Anspruch des Dritten anerkennen und befriedigen darf, ohne im Deckungsverhältnis zum Versicherer Leistungsfreiheit befürchten zu müssen. Gleichwohl kann der Versicherungsnehmer mangels Bindungswirkung durch ein Anerkenntnis im Außenverhältnis zum Geschädigten keine Leistungspflicht des Versicherers bewirken. Ohnehin liegt ein "Anerkenntnis" nur dann vor, wenn ein konstitutives oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben wird, also nicht bei bloßen Schuldbekenntnissen ohne rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen.
Wenn gegen den Versicherungsnehmer Haftpflichtansprüche gerichtlich geltend gemacht werden, so hat er gem.E.1.2.4 AKB die Führung des Prozesses dem Versicherer zu überlassen (Prozessführungsbefugnis des Versicherers). Die Prozessführungsbefugnis steht dem Versicherer auch gegenüber verklagten mitversicherten Personen zu. Die Obliegenheit des E.1.2.4 AKB ist im Zusammenhang mit der Regulierungsvollmacht des Versicherers nach A.1.1.4 AKB zu sehen.
Rz. 125
Die Prozessführungsbefugnis beinhaltet das Recht des Versicherers, den Prozessanwalt für den Versicherungsnehmer und die übrigen Versicherten zu bestellen. Bestellt der Versicherungsnehmer ohne Absprache mit dem Versicherer einen Anwalt seiner Wahl, muss er die Anwaltskosten selbst tragen. Aber: Ein Anwalt, der unter Missachtung der Prozessführungsbefugnis des Haftpflichtversicherers ein Mandat annimmt, verstößt gegen seine Beratungspflicht und hat keinen Gebührenanspruch.
Der BGH hat klargestellt, dass die Beauftragung eines weiteren Anwalts durch den Versicherungsnehmer nicht notwendig ist, und die damit verbundenen Kosten auch nicht erstattungsfähig sind.
Hinweis
Der Versicherungsnehmer muss den Versicherer im Rahmen der Prozessführung aktiv unterstützen, darf jedoch von sich aus keinen Einfluss auf den Prozess nehmen.
Rz. 126
Eine besondere Problematik ist gegeben, wenn der Versicherer davon ausgeht, der Anspruchsteller mache in Kollusion mit dem Versicherungsnehmer und/oder Versicherten Ansprüche aus einem fingierten oder manipulierten Schadenhergang geltend. Dann kann der Versicherer wegen Interessenkollision nicht im Rahmen seiner Prozessführungsbefugnis für sich und den Versicherungsnehmer und/oder die Versicherten einen einzigen Anwalt beauftragen. Um dennoch auch den Prozess gegen den Versicherungsnehmer und/oder Versicherten zu steuern und den Erlass eines zusprechenden Haftpflichturteils mit Bindungswirkung für den Deckungsprozess zu verhindern, kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer und/oder den Versicherten in diesen Fällen als Streithelfer (§§ 66, 67 ZPO) beitreten.
Stets zu prüfen ist, ob es sich um eine einfache oder eine streitgenössische Nebenintervention handelt. Der streitgenössische Nebenintervenient kann eine Prozesshandlung oder eine Erklärung auch ohne Kenntnis und gegen Widerspruch der unterstützten Partei wirksam vornehmen. Hat sich dagegen ein Privathaftpflichtversicherer als Streithelfer an dem gegen seinen Versicherungsnehmer geführten Haftpflichtprozess beteiligt, ist es ihm als einfachem Nebenintervenienten verwehrt, gegen den Widerspruch der von ihm unterstützten Partei beispielsweise ein Rechtsmittel einzulegen. Anders ist der Sachverhalt auch für den einfachen Nebenintervenienten zu behandeln, wenn dieser sich nicht am Prozess beteiligt hat.