Rolf Klutinius, Jan Therstappen
1. Einlösungsprinzip
Rz. 17
Nach § 37 Abs. 2 VVG bzw. B.1 AKB beginnt der Versicherungsschutz für den Hauptvertrag (und nicht die vorläufige Deckung) mit der Einlösung des Versicherungsscheins durch Zahlung der Erstprämie. Solange die Erstprämie nicht oder nicht vollständig gezahlt ist, haftet der Versicherer nicht, es sei denn, die Parteien vereinbaren eine vorläufige Deckung. Dabei ist durch die VVG-Reform die Leistungsfreiheit des Versicherers nun an Verschulden für die Nichtzahlung sowie eine Belehrungspflicht des Versicherers geknüpft.
2. Rückwärtsversicherung
Rz. 18
Liegt der im Versicherungsschein bezeichnete Zeitpunkt des Beginns der Versicherung vor dem Datum des formellen Vertragsschlusses, besteht eine Rückwärtsversicherung i.S.d. § 2 VVG. Auch in der Kaskoversicherung kann eine Rückwärtsversicherung vorliegen, wenn nur für die Haftpflichtversicherung eine vorläufige Deckung erteilt worden ist. Nach § 2 Abs. 4 VVG ist das Einlösungsprinzip des § 37 Abs. 2 VVG auf die Rückwärtsversicherung nicht anwendbar. § 2 Abs. 2 S. 2 VVG ist aber abbedungen, wenn der Versicherungsnehmer erst nach Antragstellung von dem Versicherungsfall Kenntnis erlangt.
3. Vorläufige Deckungszusage
a) Zustandekommen der vorläufigen Deckung
Rz. 19
Für die Zeit vor Einlösung des Versicherungsscheines kann eine vorläufige Deckungszusage erteilt werden. Durch die VVG-Reform sind mit den §§ 49–52 VVG erstmals Regelungen über die vorläufige Deckung in das Gesetz aufgenommen worden. Daneben ist die vorläufige Deckung in B.2 AKB geregelt.
Rz. 20
Die vorläufige Deckungszusage ist ein selbstständiger Versicherungsvertrag, durch den der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz genießt, und zwar unabhängig vom Zustandekommen des Hauptvertrages. Der Versicherer haftet aufgrund der vorläufigen Deckung auch dann, wenn ausnahmsweise ein Hauptvertrag nicht zustande kommt.
Rz. 21
Dabei kann nach § 51 Abs. 1 VVG der Versicherer nunmehr den Beginn des Versicherungsschutzes aus der vorläufigen Deckung von der Zahlung einer Prämie abhängig machen, sofern der Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Voraussetzung aufmerksam gemacht worden ist. In der Praxis wird jedoch die vorläufige Deckung zumindest bislang nicht von der Zahlung einer Prämie abhängig gemacht.
Rz. 22
Vor der VVG-Reform verdrängte bei der vorläufigen Deckung § 1 Abs. 2 AKB 2004 die Vorschrift des § 38 Abs. 2 VVG a.F. Für ein stillschweigendes Abbedingen des § 38 Abs. 2 VVG a.F. besteht nun kein Bedürfnis mehr, da die Prämienzahlung jetzt in § 51 VVG für die vorläufige Deckung ausdrücklich geregelt ist.
Rz. 23
Die vorläufige Deckungszusage kann formlos – auch konkludent – erteilt werden. In § 49 Abs. 1 S. 1 VVG ist ausdrücklich geregelt, dass die Vertragsbestimmungen und weiteren Informationen nach § 7 VVG dem Versicherungsnehmer nur auf Anforderung und spätestens mit dem Versicherungsschein zu übermitteln sind.
Rz. 24
Die in § 6 VVG vorgesehene Beratungs- und Dokumentationspflicht für die vorläufige Deckung in der Kfz-Haftpflichtversicherung als Pflichtversicherung nach § 6 Abs. 2 S. 3 VVG war bis zur Novellierung des § 6 VVG im Jahr 2018 dahingehend abgemildert, dass eine mündliche Beratung ohne Dokumentation ausreicht. Im Rahmen der Kaskoversicherung mussten auch für die vorläufige Deckung die Beratungsinformationen dem Versicherungsnehmer nach § 6 Abs. 2 VVG unmittelbar nach Vertragsschluss zur Verfügung gestellt werden, da es sich gerade nicht um eine Pflichtversicherung handelt. § 6 Abs. 2 VVG 2018 verweist nunmehr auf § 6a VVG.
Rz. 25
In der Kfz-Haftpflichtversicherung gilt nach B.2.1 AKB 2015 die Aushändigung der für die Zulassung notwendigen Versicherungsbestätigungskarte ("Doppelkarte") oder die Nennung einer Versicherungsbestätigungs-Nummer als Zusage der vorläufigen Deckung. § 9 KfzPflVV stellt klar, dass der Versicherungsschutz aufgrund der vorläufigen Deckungszusage durch Aushändigung der Versicherungsbestätigung vom Zeitpunkt der behördlichen Zulassung des Fahrzeuges und bei einem bereits zugelassenen Fahrzeug vom Zeitpunkt der Einreichung der Versicherungsbestätigung bei der Zulassungsstelle an bis zur Einlösung des Versicherungsscheins gilt.
Rz. 26
Vorläufiger Deckungsschutz für die Kaskoversicherung muss gesondert vereinbart werden. Grundsätzlich darf ein Versicherungsnehmer aber darauf vertrauen, dass sein Versicherungsantrag einheitlich behandelt wird. Wenn der Versicherungsnehmer daher neben der Haftpflichtversicherung auch den Antrag zum Abschluss einer Kasko-Versicherung und/oder Unfallversicherung gestellt hat oder einen entsprechenden Versicherungsvertrag beim Fahrzeugwechsel fortsetzen will, gilt die vorläufige Deckungszusage auch für die Kasko- und Unfallversicherung.
Hinweis
Hat der Versicherungsnehmer also gleichzeitig eine Kaskoversicherung für das Kraftfahrzeug beantr...