Rolf Klutinius, Jan Therstappen
1. Allgemeines
Rz. 213
Nach § 115 Abs. 1 S. 1 VVG kann der Geschädigte den Versicherer im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis unmittelbar in Anspruch nehmen. Das bedeutet, dass der Direktanspruch des Geschädigten der Höhe nach durch die vereinbarten Versicherungssummen begrenzt ist.
Das Angehörigenprivileg aus § 86 Abs. 2 VVG schließt aus, dass der auf § 115 Abs. 1 S. 1 VVG gestützte Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers auf den privaten Krankenversicherer übergeht.
Rz. 214
§ 119 VVG legt dem Geschädigten bei Geltendmachung des Direktanspruchs Anzeige- und Auskunftspflichten auf.
Nach § 3a PflVG hat der Versicherer dem Dritten bei unstreitiger Eintrittspflicht und beziffertem Schaden spätestens innerhalb von drei Monaten ein mit Gründen versehenes Schadensersatzangebot vorzulegen; sofern die Eintrittspflicht bestritten ist oder nicht eindeutig feststeht oder der Schaden nicht vollständig beziffert worden ist, muss innerhalb von drei Monaten eine mit Gründen versehene Antwort des Versicherers vorliegen. Die Frist beginnt mit Zugang des Antrags, § 3a Abs. 1 S. 2 PflVG.
2. Gesamtschuldnerische Haftung
Rz. 215
Der Versicherer haftet dem Geschädigten als Gesamtschuldner zusammen mit dem haftpflichtigen Versicherungsnehmer bzw. mitversicherten Personen, § 115 Abs. 1 S. 3 VVG.
Hinweis
Kommt es zum Rechtsstreit, sollte in der Regel der Versicherer verklagt werden. Eine subjektive Klageerweiterung gegen den Fahrer oder Halter ist regelmäßig nur sinnvoll, wenn diese ansonsten als Zeugen in Betracht kämen.
Rz. 216
Führt der Geschädigte den Prozess nur gegen den Schädiger, genießt er nicht den Schutz des § 117 Abs. 1 und Abs. 2 VVG, da diese Schutzbestimmungen nur im Rahmen des Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Versicherer gelten. Hat der Geschädigte nur gegen den Schädiger ein Urteil erstritten und lässt er den Befreiungsanspruch des Schädigers gegen dessen Haftpflichtversicherer pfänden und sich überweisen, kann ihm der Versicherer entgegenhalten, dass dem Versicherungsnehmer gegenüber keine Deckungspflicht bestehe.
3. Verjährung
Rz. 217
Nach § 115 Abs. 2 S. 1 VVG unterliegt der Direktanspruch gegen den Versicherer der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer bzw. eine mitversicherte Person (§ 852 BGB, § 14 StVG). Die Verjährung endet spätestens in zehn Jahren von dem Schadenereignis an, § 115 Abs. 2 S. 2 VVG. Ist der Anspruch des Dritten beim Versicherer angemeldet worden, so ist die Verjährung bis zum Eintritt der schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt, § 115 Abs. 2 S. 3 VVG. Die Entscheidung des Versicherers muss erschöpfend, umfassend und endgültig sein. Ein die Regulierung abschließender Abfindungsvergleich beendet die Verjährungshemmung auch für angemeldete und vorbehaltene zukünftige Schäden. Die Klageerhebung nur gegenüber dem Versicherer unterbricht die Verjährung auch gegenüber dem Versicherungsnehmer.
4. Prozessrechtliche Probleme
Rz. 218
Versicherer und Versicherungsnehmer bzw. mitversicherte Personen sind im Rechtsstreit einfache Streitgenossen.
Nach § 124 Abs. 1 VVG wirkt ein ganz oder teilweise klageabweisendes Urteil zwischen Geschädigtem und Versicherer auch zugunsten des Versicherungsnehmers bzw. der mitversicherten Personen; ergeht ein ganz oder teilweise klageabweisendes Urteil in einem Rechtsstreit zwischen Geschädigtem und Versicherungsnehmer bzw. mitversicherter Person, wirkt es auch zugunsten des Versicherers. Die Rechtskrafterstreckung des § 124 Abs. 1 VVG greift auch dann ein, wenn der Geschädigte Fahrzeughalter, Fahrer und Versicherer zusammen verklagt.
Hinweis
Von Anspruchstellern wird gelegentlich übersehen, dass bei Klageabweisung in erster Instanz die Berufung gegen sämtliche Parteien der Gegenseite gerichtet werden muss. Ansonsten wird das erstinstanzliche Urteil teilweise rechtskräftig und dies führt im Ergebnis dazu, dass die Berufung gem. § 124 Abs. 1 VVG aus Rechtsgründen unbegründet ist.
Rz. 219
Wird nämlich die Klage gegen alle Beklagten abgewiesen und nur wegen der Klageabweisung gegen einen Beklagten Berufung eingelegt, ist das Berufungsgericht im Hinblick auf die Rechtskrafterstreckung des rechtskräftig gewordenen Urteils gehindert, gegen den Berufungsbeklagten im Berufungsverfahren anders zu entscheiden.
Rz. 220
Für Urteile zugunsten des Geschädigten gilt § 124 Abs. 1 VVG nicht. Jedoch bestehen schon nach allgemeinem Versicherungsrecht Bindungswirkungen des Haftpflichturteils für den Deckungsprozess. Die rechtskräftige Entscheidung des Haftpflichtprozesses ist für den Deckungsprozess bindend. Keine Rechtskraft- oder Bindungswirkung besteht für eine im Adhäsionsverfahren auf Antrag des Verletzten (Geschädigten) gegen den Beschuldigten (Schädiger) ergangene Entscheidung gegenüber dem zuständigen KH-Versicherer.
Rz. 221
Behauptet der...