Rolf Klutinius, Jan Therstappen
1. Prämienzahlung als Hauptpflicht
Rz. 46
Die Pflicht des Versicherungsnehmers, die vereinbarte Prämie zu zahlen, ist nach § 1 S. 2 VVG eine vertragliche Hauptpflicht. Die mit der Prämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers zusammenhängenden Fragen sind in den §§ 33–41 VVG geregelt, die durch die Bestimmungen in Abschnitt C AKB ergänzt werden. Die Erstprämie wird gem. § 33 Abs. 1 VVG unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins fällig. Nach C.1.1 AKB 2015 bedeutet unverzüglich, dass die Prämie dann spätestens innerhalb von weiteren 14 Tagen zu zahlen ist. Die Prämie ist nach nicht unbestrittener, aber überwiegender Auffassung als Geldschuld eine qualifizierte Schickschuld (§ 270 BGB, § 36 VVG). Ist Prämieneinzug im Lastschriftverfahren vereinbart, wird aus der Schickschuld eine Holschuld; der Versicherungsnehmer muss nur für ausreichende Kontodeckung bei Fälligkeit sorgen.
2. Erstprämie
Rz. 47
Wird die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Versicherer vom Versicherungsvertrag zurücktreten, solange die Zahlung nicht erfolgt ist (§ 37 Abs. 1 VVG) (differenzierend noch § 38 Abs. 1 VVG a.F.).
Rz. 48
Bei Rücktritt nach § 37 Abs. 1 VVG kann der Versicherer gem. § 39 Abs. 1 S. 3 VVG nur eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen. In der Kfz-Haftpflichtversicherung bleibt der Versicherer auch nach seinem Rücktritt dem Geschädigten gem. § 117 Abs. 2 VVG (§ 3 Nr. 5 PflVG a.F.) noch für einen bestimmten Zeitraum ersatzpflichtig. Für die Zeit der Nachhaftung steht dem Versicherer ein anteiliger Prämienanspruch gem. C.4 AKB 2015 zu.
Rz. 49
Gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 VVG ist der Versicherer leistungsfrei, wenn bei Eintritt des Versicherungsfalls die Erstprämie noch nicht gezahlt ist (Einlösungsprinzip). Der Versicherer bleibt trotz Nichtzahlung der Erstprämie zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat.
Diese Rechtsfolge tritt nicht ein, wenn – wie üblich – eine vorläufige Deckungszusage ohne Prämie erteilt worden ist. Bei vorläufiger Deckung ist § 37 Abs. 2 VVG zugunsten des Versicherungsnehmers abbedungen. Die vorläufige Deckung kann jedoch gem. B.2.4 AKB 2015 bei nicht rechtzeitiger Einlösung des Versicherungsscheins rückwirkend außer Kraft treten (vgl. Rdn 32 ff.).
Rz. 50
Die Rechtswirkungen des § 37 VVG treten nur dann ein, wenn eine korrekte Prämienanforderung vorliegt. Teilleistungen des Versicherungsnehmers auf die Prämie reichen grundsätzlich nicht, es sei denn, der fehlende Betrag ist im Verhältnis zur Prämie verschwindend gering.
Rz. 51
Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung ist der Versicherungsnehmer beweispflichtig, wenn der Versicherungsschutz mit der Zahlung der Erstprämie beginnen soll.
Hinweis
In der Kfz-Haftpflichtversicherung genießt der gutgläubige Fahrer Deckungsschutz, auch wenn der Versicherungsnehmer die Erstprämie nicht gezahlt hat. Er wird nach § 123 Abs. 1 VVG (§ 158i VVG a.F.) von Regressen freigestellt.
3. Folgeprämie
Rz. 52
§ 38 VVG regelt die Folgen der Nichtzahlung bzw. der verspäteten Zahlung einer Folgeprämie. Wenn die Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt wird, besteht der Versicherungsschutz zunächst fort. Die nicht fristgerechte Zahlung der Folgeprämie hat erst nach einer vergeblichen qualifizierten Mahnung nachteilige Folgen für den Versicherungsnehmer. In der Mahnung muss der Prämienrückstand zutreffend auf den Cent genau angegeben werden. § 38 Abs. 1 S. 1 VVG verlangt die Bestimmung einer Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen. Dabei ist der Versicherungsnehmer nach § 38 Abs. 1 S. 2 und 3 VVG über die Rechtsfolgen zu belehren, die mit dem Ablauf der Frist verbunden sind.
Hinweis
Weist die Belehrung Mängel auf, so behält der Versicherungsnehmer trotz etwa verspäteter Zahlung und Eintritt des Versicherungsfalls seinen Versicherungsschutz.
Rz. 53
Die qualifizierte Mahnung muss eine unmissverständliche und umfassende Belehrung über die dem Versicherungsnehmer drohenden Säumnisfolgen und die rechtlichen Möglichkeiten enthalten, wie der Versicherungsnehmer den Säumnisfolgen begegnen kann, um sich den Versicherungsschutz zu erhalten. Die gesonderte Mitteilung muss sich vom übrigen Text drucktechnisch abheben, so dass sie vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann. Aus der Belehrung muss hervorgehen, bis wann welcher Betrag zu zahlen ist. Der Begriff "rechtzeitige Zahlung" reicht nicht aus. Die Belehrung muss deshalb insbesondere darauf hinweisen, dass sich der Versicherungsnehmer auch nach Ablauf der Frist bis zum ...