1. Allgemeines
Rz. 74
Obliegenheiten sind nach h.M. Verhaltensnormen, die jeder Versicherungsnehmer beachten muss, um seinen Versicherungsanspruch zu erhalten. Der BGH definiert den Begriff der Obliegenheiten wie folgt: "Das dem Versicherungsnehmer obliegende Tun oder Unterlassen bezieht sich bei den Obliegenheiten immer auf die versicherte Gefahr, vor oder nach Eintritt des Versicherungsfalls; es soll eine bestimmte Gefahrenlage klarstellen, festhalten, vermindern und verbessern oder den eintretenden Schaden abwenden und mindern oder den eingetretenen Schaden anzeigen und aufdecken."
Rz. 75
Bei der zuvor erläuterten Gefahrstandspflicht und Anzeigepflicht bei Gefahrerhöhung handelt es sich um gesetzliche Obliegenheiten.
Rz. 76
Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung ist nicht von Amts wegen zu beachten. Der Versicherer muss sich darauf berufen. Bei Altverträgen ist eine Berufung auf vertraglich vereinbarte Obliegenheiten nicht möglich, wenn keine Umstellung des Vertrags erfolgte (vgl. Rdn 7).
2. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls
Rz. 77
Die in der Kraftfahrtversicherung vor dem Versicherungsfall zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheiten sind in Abschnitt D AKB 2008 "Welche Pflichten haben Sie beim Gebrauch des Fahrzeugs?" enthalten.
a) Tatbestände
aa) Verwendungsklausel
Rz. 78
Nach D.1.1 AKB darf ein Fahrzeug nicht zu einem anderen als dem im Versicherungsvertrag angegebenen Zweck verwendet werden. Ein Verstoß des Versicherungsnehmers führt zu einem Leistungskürzungsrecht des Versicherers; in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung richtet sich das Limit der Leistungsfreiheit nach § 5 Abs. 3 S. 1, 2 KfzPflVV.
Rz. 79
Der im Versicherungsvertrag vereinbarte Verwendungszweck bestimmt den Prämientarif. Die Prämien für Mietwagen und Taxen sind höher als für privat genutzte Fahrzeuge, der Prämientarif im Güterfernverkehr ist höher als im Güternahverkehr. Wird daher ein zum privaten Tarif versichertes Fahrzeug als Mietwagen oder Taxi eingesetzt, so liegt darin eine Obliegenheitsverletzung, ebenso wie bei der Verwendung eines zum Güternahverkehr versicherten Fahrzeuges im Güterfernverkehr. Auch der Missbrauch eines roten Kennzeichens ist ein Verstoß gegen die Verwendungsklausel. Die Verwendungsklausel ist somit eine spezielle Regelung der Gefahrerhöhung.
bb) Schwarzfahrtklausel
Rz. 80
Nach D.1.2 AKB liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, wenn ein unberechtigter Fahrer das Fahrzeug gebraucht hat. Unberechtigter Fahrer ist, wer ohne ausdrückliche oder stillschweigende vorherige Erlaubnis des Halters das Fahrzeug lenkt.
Rz. 81
Nach D.1.2 AKB ist der Versicherer auch gegenüber dem Versicherungsnehmer, Eigentümer oder Halter zur Leistungskürzung berechtigt, wenn dieser die Schwarzfahrt schuldhaft ermöglicht hat, etwa durch leichtsinnigen Umgang mit den Kfz-Schlüsseln.
Hinweis
Auch der unberechtigte Fahrer ist nach A.1.2.c. AKB in der Kfz-Haftpflichtversicherung im Außenverhältnis mitversichert, da andernfalls der Schutz von Unfallopfern nicht gewährleistet wäre; deshalb ist eine Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer möglich.
Für Amokfahrten und Terroranschläge ist von Bedeutung, dass ein vorsätzlich handelnder Fahrer aufgrund des subjektiven Risikoausschlusses des § 103 VVG keinen Versicherungsschutz hat, so dass auch kein Direktanspruch des Geschädigten gegen den KH-Versicherer wegen der Fahrerhaftung besteht. Wenn Fahrer und Halter nicht identisch sind, ist die Halterhaftung und damit der diesbezügliche Direktanspruch gegen den KH-Versicherer nur ausgeschlossen, wenn es sich um eine Schwarzfahrt i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 1 StVG handelt.
cc) Führerscheinklausel
Rz. 82
Nach D.1.3 AKB liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, wenn der Fahrer des Fahrzeugs bei Eintritt des Versicherungsfalls auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nicht die vorgeschriebene Fahrerlaubnis hat. Dabei führt in der Kaskoversicherung ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Führerscheinklausel zur völligen Leistungsfreiheit, während die Leistung bei grober Fahrlässigkeit zu kürzen wäre.
Rz. 83
Ein Verstoß gegen die Fahrerlaubnisklausel liegt auch vor, wenn die Fahrerlaubnis gem. § 111 a StPO vorläufig entzogen worden ist oder der Führerschein nach § 94 StPO polizeilich beschlagnahmt worden ist. Hingegen liegt kein Verstoß vor, wenn gegen ...