Rolf Klutinius, Jan Therstappen
1. Allgemeines
Rz. 139
Gemäß § 81 Abs. 1 VVG ist der Versicherer bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei. Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls ist der Versicherer gem. § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
Rz. 140
Die Kürzung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis als Rechtsfolge war ein Kern der VVG-Reform und bedeutete zugleich die Abkehr vom "Alles-oder-nichts-Prinzip". Zudem muss der Versicherer die Kürzung erklären, die Kürzung ist nicht von Amts wegen vorzunehmen. Das Ausmaß der Leistungskürzung gemäß § 28 Abs. 2 VVG bemisst sich in den Fällen grobfahrlässiger Obliegenheitsverletzung nach dem Maß des Verschuldens des Versicherungsnehmers (§ 81 Abs. 2 VVG), in Ausnahmefällen kommt auch eine Leistungskürzung auf null in Betracht. Dies kann auch schon bei relativer Fahruntüchtigkeit gegeben sein. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalls an.
Rz. 141
In der Kfz-Haftpflichtversicherung gilt die Vorschrift des § 103 VVG. Danach tritt Leistungsfreiheit dort nur bei vorsätzlicher widerrechtlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls ein.
Hinweis
In der Kfz-Haftpflichtversicherung besteht bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Fahrer und Halter kein Direktanspruch des geschädigten Dritten nach § 115 Abs. 1 S. 1 VVG (§ 3 Nr. 1 PflVG a.F.).
Rz. 142
Bei § 103 VVG handelt es sich um einen subjektiven Risikoausschluss. Der Versicherer haftet nur im Rahmen der übernommenen Gefahr. Vorsatztaten fallen jedoch von vornherein nicht unter den Schutz der Kfz-Haftpflichtversicherung. Damit ist der Versicherer auch dem Geschädigten gegenüber leistungsfrei.
Rz. 143
Die Versicherungsvertragsverhältnisse des Versicherungsnehmers und des mitversicherten Fahrers sind jedoch unabhängig voneinander zu beurteilen. Der Versicherer bleibt eintrittspflichtig, wenn er seinem Versicherungsnehmer gegenüber deckungspflichtig ist, soweit dieser als Halter haftpflichtig ist.
Wird das haftpflichtversicherte Fahrzeug ohne Wissen und Wollen des Halters benutzt, scheidet die Haftung des Halters aus, es sei denn, er hat die Benutzung durch sein Verschulden ermöglicht. Hat der Fahrzeugführer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt, ist der Kfz-Haftpflichtversicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei.
2. Vorsatz
Rz. 144
Vorsatz ist – wie auch sonst im Zivilrecht – Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges. Bedingter Vorsatz genügt.
Rz. 145
In der Haftpflichtversicherung muss der Vorsatz auch die Schadenfolgen umfassen. Es ist aber nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer auch den konkreten Schadenablauf in allen Einzelheiten übersehen hat. Es genügt, dass der Versicherungsnehmer die Schadenfolgen in ihrem wesentlichen Umfang als möglich erkannt und gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen hat.
Rz. 146
Der Versicherer kann den Nachweis der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises führen. Er ist auf den schwierigen Indizienbeweis angewiesen.
3. Grobe Fahrlässigkeit
Rz. 147
Nach ständiger höchst richterlicher Rechtsprechung handelt in objektiver Hinsicht grob fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im hohen Maße außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen des konkreten Einzelfalls jedem einleuchten müsste. Es muss dabei auch in subjektiver Hinsicht unter Berücksichtigung der personalen Seite der Verantwortlichkeit, deren Besonderheiten im Einzelfall im Sinne einer Entlastung von dem schweren Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ins Gewicht fallen können, eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung festgestellt werden, die das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt.
Rz. 148
Ein Augenblicksversagen ist allein noch kein Grund, den Schuldvorwurf der grobe...