Rz. 93
Die Regelungen der §§ 312b, 312g, 355, 356, 357a BGB, Art. 246a, 246b EGBGB des Fernabsatzes und des Verbraucherschutzes sind auch auf Anwaltsverträge anwendbar, so entschied der BGH 2017.
Rz. 94
Die Voraussetzungen zur Annahme eines Fernabsatzgeschäfts sind nach BGH:
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Mandant ist Verbraucher, |
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Mandatsvertrag kommt unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (z.B. Brief, Fax, Telefon, E-Mail) zustande, |
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Vertragsabschluss erfolgt im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems. |
Rz. 95
Der BGH schließlich ergänzend hierzu November 2020:
Zitat
"1. Ein Rechtsanwalt, der einen Anwaltsvertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen hat, muss darlegen und beweisen, dass seine Vertragsschlüsse nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgen."
2. Ist ein auf ein begrenztes Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt deutschlandweit tätig, vertritt er Mandanten aus allen Bundesländern und erhält er bis zu 200 Neuanfragen für Mandate pro Monat aus ganz Deutschland, kann dies bei einer über die Homepage erfolgenden deutschlandweiten Werbung im Zusammenhang mit dem Inhalt seines Internetauftritts für ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem sprechen.“
Rz. 96
Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage und beginnt mit Vertragsschluss zu laufen, soweit nichts anderes bestimmt ist, § 355 Abs. 2 BGB. Ist keine Widerrufsbelehrung erfolgt, erlöscht das Widerrufsrecht spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss. Das Widerrufsrecht gilt auch bei zwar körperlicher Anwesenheit bei Vertragsschluss aber auch bei sogenannten "außer Haus Geschäften", § 312g BGB. Möchte der Mandant, dass man sofort mit der Arbeit beginnt? Dann sollte ein entsprechender Hinweis erteilt werden, dass das Widerrufsrecht erlischt und die Vergütung in entsprechender Höhe bei erbrachter Leistung geschuldet wird.
Rz. 97
Praxistipp
Anwälte sollten sich mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei ihren persönlichen Vertragsabschlüssen mit Mandanten der "Widerrufsjoker" droht, intensiv auseinandersetzen. Im Zweifel sollte eine Widerrufsbelehrung erteilt werden.
Rz. 98
Im Familienrecht sind Mandanten regelmäßig als Verbraucher anzusehen, nach m. A. auch, wenn es z.B. um Zugewinnausgleichsansprüche bezogen auf ein Unternehmen geht, da es sich bei familienrechtlichen Ansprüchen und hieraus resultierenden Vergütungsansprüchen des Anwalts immer um "private" Angelegenheiten handelt. Man lässt sich privat scheiden und nicht gewerblich. Ob eine Verbrauchereigenschaft im Sinne des Mandatsverhältnisses und des Vergütungsrechts auch anzunehmen ist, wenn z.B. der Miteigentumsanteil an einem Unternehmen im Rahmen einer Trennung/Scheidung übertragen werden soll, kann m.E. fraglich sein. Die "private Ursache" für diese Art von Vermögensauseinandersetzung zwischen zwei Unternehmern mag hier möglicherweise nicht ausreichen; da aber der Anwaltsauftrag i.d.R. nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit weiteren – eindeutig dem Privaten zuordnungsfähigen – Streitgegenständen erfolgt, ist die Frage der Notwendigkeit einer Widerrufsbelehrung auch in solchen Fällen m.E. zu bejahen, wenn ein Fernabsatzgeschäft als solches vorliegt.
Rz. 99
Formulierungshilfen zu einer Widerrufsbelehrung sind an verschiedenen Stellen zu finden.
Bitte prüfen Sie eigenständig die Wirksamkeit einer/ihrer Widerrufsbelehrung!